Der Preis des Schweigens
auch hier galt, dass unsere Suchanfragen direkt mit unserer Arbeit zu tun haben mussten. Ich tippte Justins Namen ein, und die Sanduhr begann erneut zu rotieren. Immer wieder blickte ich zur Tür und hoffte, dass sich niemand lautlos anschlich und mich auf frischer Tat ertappte.
Mist! Die Suchanfrage war ebenfalls negativ. Justin Reynolds hatte noch nie Anzeige erstattet oder einen Einbruch oder Autodiebstahl oder den Verlust seines Geldbeutels gemeldet. Er hatte nie als Zeuge für ein Verbrechen ausgesagt oder einen Strafzettel wegen Falschparkens oder Geschwindigkeitsüberschreitung bekommen.
Meine letzte Chance war die Datenbank der Kraftfahrzeugzulassungsstelle. Wieder lauschte ich dem quälenden Summen des Computers und wartete mit zum Zerreißen gespannten Nerven auf das Ergebnis. Suchanfrage negativ. Nirgendwo in Großbritannien war ein Auto unter dem Namen Justin Reynolds zugelassen.
Ratlos lehnte ich mich im Stuhl zurück. Das Ergebnis meiner Suche hieß natürlich noch lange nicht, dass Justin nicht in der Gegend lebte. Er war nur schlicht und ergreifend nie polizeiauffällig geworden, war nie Opfer eines Verbrechens gewesen und hatte nie ein Auto besessen. Noch wahrscheinlicher war allerdings, dass er mir einen falschen Namen genannt hatte. Wenn ich versucht hätte, jemanden zu erpressen, wäre ich auch nicht so dumm gewesen, es unter meinem richtigen Namen zu tun. Das erklärte auch, warum ich im Internet nirgendwo eine Spur von Justin Reynolds gefunden hatte, obwohl jeder Mensch irgendwann einen elektronischen Fußabdruck hinterlässt, weil sich das gar nicht vermeiden lässt.
Eilig schloss ich die Programme, die ich geöffnet hatte, und stellte Bodies letzte offizielle Suchanfrage wieder her. Nachdem ich mich rasch auf dem Flur umgesehen hatte, huschte ich zurück in die Pressestelle, wo ich erleichtert aufatmete. Gleichzeitig war ich frustriert darüber, dass ich schon so früh eine Niederlage einstecken musste. Ich war mir so sicher gewesen, dass meine riskante Suchaktion etwas Brauchbares zutage förderte.
Wer bist du, Justin, und wo treibst du dich herum?, dachte ich. Wenn ich weiterhin so erfolglos blieb, wusste ich immerhin, wo er am 15. Januar sein würde. Irgendwo in der Nähe des Flughafens von Cardiff, bevor er sich mit einem weiteren Umschlag voller Geld aus dem Staub machen würde.
An diesem Abend feierten Dan und ich unseren neunten Jahrestag. Ich konnte kaum glauben, dass es schon neun Jahre her war, dass wir uns kennengelernt hatten. Eigentlich war das genaue Datum schon vor zwei Wochen gewesen, aber da Dan am betreffenden Tag eine Doppelschicht aufgebrummt bekommen hatte, hatten wir unseren Jahrestag verschoben und feierten ihn nun ausgerechnet am schlimmsten Tag des Jahres: an Silvester.
Für mich war unser Jubiläum jedes Jahr aufs Neue eine schwierige Zeit. Normalerweise war ich schon Wochen vorher aufgeregt und überlegte, ob Dan mich dieses Jahr endlich mit einem Restaurantbesuch oder einer anderen Idee überraschen würde, ob er mir ausnahmsweise etwas schenken würde, das keine Enttäuschung in mir auslöste. Manchmal legte er seine Geschenke zu Weihnachten und zum Jahrestag sogar zusammen, was mich schon aus Prinzip ärgerte. Ich fühlte mich betrogen, wie ein Kind, das kurz vor oder kurz nach Weihnachten Geburtstag hat und nur einmal Geschenke bekommt.
Es ging mir nicht um den Betrag, den er für mich ausgab, aber ich wollte, dass er sich die Mühe machte, sich etwas Besonderes zu überlegen, und sei es ein Gedichtband für fünf Pfund. Ich selbst hatte Dan dieses Jahr eine schicke Lederbrieftasche gekauft, weil seine alte schon so abgenutzt war.
Meine Sorge stellte sich diesmal als unbegründet heraus, denn er schenkte mir einen spitzenbesetzten Seidenpyjama, über den ich mich sehr freute. Seit er mir ins Watch-House hinterhergefahren war, um mich zurück nach Hause zu holen, gab er sich die größte Mühe und zeigte mir, dass er meine Bedürfnisse ernst nahm. Daher rührte wohl auch sein Versuch, am Silvesterabend ein romantisches Abendessen für mich zu zaubern. Eigentlich hatte er mich in ein Restaurant ausführen wollen, aber er war wieder einmal zu spät dran gewesen und hatte keine Reservierung mehr ergattern können. Also hatte er ein Menü mit Nachtisch für mich vorbereitet, einen guten Wein dazu gekauft und den Tisch festlich gedeckt, mit Tischdecke und Platztellern und sogar ein paar Teelichtern für die romantische Stimmung. Das Lamm war ein wenig zu
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