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Der Preis des Schweigens

Der Preis des Schweigens

Titel: Der Preis des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beverley Jones
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dass Becky Izzy zumindest für heute erfolgreich im Kindergarten abgeliefert hatte. Nicht dass ich Izzy nicht mochte. Sie war wirklich drollig mit ihren wilden roten Locken, die sie von ihrer Mutter geerbt hatte, und den altklugen Fragen, mit denen sie einen manchmal ganz schön in Verlegenheit brachte. Kurz vor ihrem dritten Geburtstag war sie einmal mit Becky bei Dan und mir zu Hause gewesen. Unser altes viktorianisches Haus verriet mit jedem Quadratmeter, dass es einem nicht sehr häuslichen, kinderlosen Paar gehörte, und war alles andere als kindgerecht. Sobald Izzy den Fuß über die Schwelle gesetzt hatte, fiel mir auf, wie viele scharfkantige Ecken, wackelige Regale, freiliegende Kabel und Heizkörper ohne Abdeckung es bei uns gab.
    Aber Izzy hatte sich weder daran gestört noch an der völligen Abwesenheit von Spielzeug. Stattdessen hatte sie sehr erwachsen auf dem Polstersessel gethront und erst Knoten in die Fransen meines Schals gemacht und dann Veilchenbonbons geknabbert, die wir nur im Haus hatten, um für Kinderbesuche an Halloween gerüstet zu sein.
    Seit die Hochzeitseinladungen verschickt waren, gab ich mir Mühe, Becky (und damit auch Izzy) in die Vorbereitungen für den großen Tag mit einzubeziehen. Bevor wir uns auf die Suche nach einem Brautkleid begeben hatten, hatte ich Becky zu Kaffee und Kuchen eingeladen und ihr den guten Rat gegeben, sich Stephens Spielsucht und sein ständiges Herumhängen auf Online-Poker-Seiten nicht bieten zu lassen. Bei Becky hatte ich immer das Gefühl, frühere Versäumnisse wiedergutmachen zu müssen, vor allem meine alles andere als hilfreiche Reaktion, als sie mir eröffnet hatte, dass sie mit Izzy schwanger war.
    Damals war sie fünfundzwanzig gewesen, und David, ihr On/off-Freund, war ein totaler Idiot. Meine Mutter hätte ihn »ein bisschen träge« genannt, mein Vater »stinkfaul«. David war der Inbegriff eines Hochschulabsolventen, der ständig behauptet, »zwischen zwei Jobs« zu stehen und »sich erst noch finden zu müssen«. Dan verachtete solche Leute.
    Als Becky David kennengelernt hatte, hatte er am Ticketschalter des Chapter Arts Centre im Stadtteil Canton gejobbt. Laut Becky schrieb er Gedichte und arbeitete an einem Kurzfilm über das bittersüße Leben eines begnadeten Gitarristen, der heute Alkoholiker war und hinter dem zentralen Busbahnhof von Cardiff hauste.
    Als Becky mir nur acht Wochen, nachdem sie mit David zusammengekommen war, eröffnet hatte, dass sie schwanger war, war meine erste Reaktion gewesen: »Herr Jesus auf dem Fahrrad, warum nimmst du denn nicht die Pille?« Und dann: »Willst du, dass ich mit dir zur Abtreibung komme?«
    Sie hatte mich angestarrt, als hätte ich gerade verkündet, dass ich nackt die Eiger-Nordwand erklimmen wollte. »Spinnst du? Ich behalte das Baby«, hatte sie mit Bestimmtheit erklärt, nachdem sich ihr Schock gelegt hatte.
    Ich war wie vor den Kopf gestoßen. Dass sie sich gegen eine Abtreibung entscheiden könnte, war mir gar nicht in den Sinn gekommen. »Bist du verrückt?«, war ich herausgeplatzt. »Du hast doch selbst gesagt, dass David ein Vollidiot ist! Du kannst kein Baby kriegen, du wohnst noch bei deiner Mutter.«
    »Viele Leute leben nach dem Studium noch bei ihren Eltern«, verteidigte sie sich.
    »Aber ihr wohnt in einem Sozialbau.«
    »Stimmt nicht, das Haus gehört uns.«
    »Und was ist mit deinem Job?« Becky hatte unmittelbar nach dem Studium eine Stelle in der Telefonzentrale einer Zeitung angenommen, »um Geld zu verdienen, während ich nach meinem Traumjob als Eventmanagerin Ausschau halte«. Irgendwie war sie bis heute nicht dazu gekommen, sich zu bewerben.
    »Ich gehe in Mutterschutz«, antwortete Becky, als wäre ich schwer von Begriff. Bei ihr klang alles so einfach, so unkompliziert.
    »Und was sagt David dazu?«
    »Keine Ahnung, der ist auf und davon. Hat irgendwas gesagt von wegen, dass er nach Brighton will, um eine Doku über schwule moderne Kunst zu drehen.«
    »Aber wenn David weg ist, kannst du das Baby erst recht nicht behalten, Beck.«
    »Meine Güte, Jen, schon mal was von alleinerziehenden Eltern gehört? Nicht jeder hat das Glück, einem interessanten Job nachzugehen und mit einem Traumtypen in einem schönen Haus zu residieren. Das Baby war nicht geplant, aber ich werde es ganz sicher nicht abtreiben. Ich kann einfach nicht.«
    Ist das ihr Bild von mir?, fragte ich mich. Mein Traumtyp, mein toller Job, mein beneidenswertes Leben?
    »Warum nicht? Warum kannst du nicht

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