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Der Preis des Schweigens

Der Preis des Schweigens

Titel: Der Preis des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beverley Jones
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über jede übereifrige, draufgängerische Person, dass sie »ein ziemlicher Wallbeck« sei, wozu wir vielsagend grinsten. Schon damals war mir bewusst, dass wir uns zwar über diese Geschichten kaputtlachten, von den Gefühlen, die die teilweise recht explizite Sexualität in uns wachrief, aber auch verunsichert waren. Wenn wir nachts wach unter der Daunendecke lagen, gingen uns vermutlich allen dreien die gleichen offenen Fragen durch den Kopf.
    Zwölf Jahre später arbeitete ich in der PR-Branche, und Justin hatte sich als Wallbeck erwiesen, der selbst das Original an Perversion übertraf. Wie ironisch – und wie traurig.
    Weil ich bei meiner Ankunft keine Aufmerksamkeit erregen wollte, fuhr ich zunächst an der Einfahrt des Wohnwagenparks vorbei, bog um eine Kurve und parkte mein Auto neben einem kleinen Viehgitter am Straßenrand. Bodie klagte oft, dass Polizeiarbeit hauptsächlich aus Warterei bestand und man endlose Stunden damit verbrachte, zu beobachten, wer was wann wie oft und mit wem tat. Wenn man dann Glück hatte, konnte man am Ende der Observierung jemanden überwältigen und verhaften, um ihn mit auf die Wache zu nehmen.
    Der Sinn meiner heutigen Übung bestand natürlich darin, mich gar nicht erst auf Situationen einzulassen, in denen ich jemanden überwältigen musste. Ich wollte lediglich herausfinden, ob die Mathrys einen Sohn hatten, der ihren Campingbus fuhr.
    Ich hatte mich im Auto umgezogen und war in Jeans und Fleecejacke geschlüpft, weil ich nicht auffallen wollte, was mit schicker Hose, Jackett und hochhackigen Schuhen inmitten eines matschigen Wohnwagenparks im Februar nicht zu vermeiden gewesen wäre.
    Es war traurig, wie sehr der Park seit meinem letzten Besuch verkommen war. Viele Parzellen standen leer, und überall spross Unkraut durch die Risse in den nackten Betonflächen. Mit ein oder zwei Ausnahmen sahen alle verbleibenden Wohnwagen schäbig und ungepflegt aus. In der Wagenreihe, die der Küste am nächsten war, parkten einige Autos und zeugten wenigstens von ein bisschen Leben.
    Nirgendwo war ein geparkter Campingbus zu sehen.
    Neben dem Einfahrtstor befand sich eine kleine Anmeldung, die nicht mehr als ein schuhkartongroßer Betonklotz war, den eine Empfangstheke aus Melamin in zwei Hälften teilte. Das Büro war abgeschlossen, aber durch die schmutzige Scheibe erkannte ich einen Getränkeautomaten und einen Geländeplan an der Wand. Leider war die Beschriftung so verblichen, dass ich nicht erkannte, ob unter einer der Parzellen der Name Mathry stand. Trotzdem wollte ich auf keinen Fall den ganzen Platz ablaufen, aus Angst, dass sich Justin in diesem Moment in einem der Wohnwagen befand und plötzlich aus dem Fenster guckte.
    Ich zog mir meine Baseballkappe tiefer in die Stirn und klappte den Kragen meiner Fleecejacke hoch. Es war windig und kalt, daher würde ich damit kein Misstrauen erregen. Auf dem Gelände bummelten ein paar Besucher herum, und ein älteres Pärchen Anfang siebzig, das ebenfalls Fleecejacken und Baseballkappen trug, saß unter einer Plastikplane vor der Tür seines Wohnwagens. Die beiden sahen aus wie die typischen Wichtigtuer, die mit Argusaugen jede Bewegung auf dem Platz beobachteten. Ihr Wohnwagen lag direkt am holprigen Fußweg, daher bekamen sie alles mit, was sich an ihnen vorbeibewegte.
    Ihr Wohnwagen hatte neue Reifen, und hinter der sauberen Heckscheibe entdeckte ich einen Strauß Plastikblumen. Die Rasenfläche unter den Campingstühlen war sorgfältig gemäht und von weißen Strandkieseln eingefasst. Auf dem Gasherd im Wohnwagen stand ein Wasserkessel, und das Pärchen ließ sich Blätterteigpasteten aus einer Papiertüte schmecken. Wenn mir jemand weiterhelfen konnte, dann diese beiden.
    »Hiya!«, sagte ich mit einem freundlichen Winken und legte einen etwas stärkeren walisischen Akzent auf als sonst. Das hatte ich früher immer in der Schule getan, um nicht unangenehm aufzufallen. Damals war es eine Überlebensstrategie gewesen, jetzt war es eine vertrauensbildende Maßnahme und vielleicht auch eine Tarnung.
    »Entschuldigen Sie, dass ich störe, aber Sie wissen nicht zufällig, wo der Wohnwagen der Mathrys steht?«
    »Wen suchen Sie denn?«, fragte die Frau.
    »Na ja, Michael Mathry. Meine Familie war früher ein paarmal in den Ferien hier, und mein Vater war mit ihm befreundet. Als Kind habe ich manchmal mit seinem Sohn gespielt, aber das ist ewig her, deshalb erinnere ich mich nicht mehr, wo die Mathrys ihren Wagen haben. Falls sie

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