Der Preis des Schweigens
Klappern der Bootstaue in der Bucht und der gelegentliche Ruf einer Schleiereule irgendwo tief in der schwarzen westwalisischen Nacht.
13.
E rst eine Woche nach unserem Ausflug an die Küste ergab sich die Gelegenheit, erneut nach Aberthin zu fahren. Im Laufe der Woche nach unserer Rückkehr ereigneten sich mehrere Selbstmorde, die für öffentlichen Aufruhr sorgten, und die Pressestelle wurde außerdem von verschiedenen Vermisstenmeldungen auf Trab gehalten. Der Rest meiner knappen Zeit wurde von der Hochzeitsplanung aufgefressen.
Am Dienstagabend kam meine Mutter für eine halbe Stunde »vorbeigeschneit«, um mir das dunkeltürkisfarbene Kleid mit Samtstola und die dazu passenden Schuhe zu zeigen, die sie sich bei John Lewis gekauft hatte. Sie hatte sich tatsächlich für einen filigranen Kopfschmuck statt für einen Hut entschieden und demonstrierte mir, wie absolut perfekt das Gebilde aus Federn und silbrigen Perlen ihr Outfit komplettierte. Sie hatte recht. Mit ihrer immer noch schlanken Figur und dem fast faltenlosen Gesicht sah sie in der Tat sehr elegant aus.
Ich selbst hatte mir immer noch kein Brautkleid gekauft. Inzwischen war es fast März, daher ließ ich mich am Mittwochabend von Becky zu zwei weiteren Brautmodengeschäften schleifen, bevor ich die Bremse einlegte und trotzig verkündete, dass es mir reichte. Ich würde einfach ein Kleid in einer normalen Boutique kaufen. Aber Becky fand für sich selbst ein schönes Cocktailkleid aus dunkelblauer Seide und einen eleganten Cardigan.
»Dunkelblau ist nicht zu düster für eine Hochzeit, oder?«, fragte sie besorgt. »Aber eigentlich ist es ja auch eher ein dunkles Mittelblau, findest du nicht? Mir gefällt das Kleid total, aber wenn du es nicht magst und es nicht zur Farbpalette passt, nehme ich ein anderes.«
Ich versicherte ihr, dass ich ganz sicher keine Farbpalette festlegen würde und dass sie anziehen konnte, was sie wollte, solange sie nur kam und sich amüsierte.
Sie freute sich sichtlich über ihr neues Kleid. »Aber du musst auch bald etwas finden, Jen«, ermahnte sie mich besorgt. »Der große Tag rückt immer näher.«
Sie hatte natürlich recht, aber im Moment hatte ich drängendere Sorgen.
Am Donnerstag hatte Dan Frühschicht und kam bereits um fünf Uhr nachmittags nach Hause, weshalb der Abend für einen Ausflug nach Aberthin nicht infrage kam. Dann kam das Wochenende, und Dan hatte frei.
Am Montag stand mir zu meiner großen Erleichterung endlich der Abend zur alleinigen Verfügung. Um acht entließ ich Dan mit einer Lunchdose voll Hühnchencurry und Reis in die Nachtschicht. Mir hatte der Gedanke noch nie behagt, dass er ohne eine ordentliche warme Mahlzeit eine zwölfstündige Nachtschicht durchstehen sollte. Eine Stunde später war ich auf dem Weg zum Wohnwagenpark in Aberthin.
Wie schon beim letzten Mal parkte ich mein Auto auf Höhe des Viehgitters am Straßenrand, damit es von der Einfahrt aus nicht zu sehen war. Die beim letzten Besuch gesammelten Informationen hatte ich verifiziert, indem ich erneut auf Bodies Rechner eine schnelle Datenbanksuche unter dem Namen Paul Mathry durchgeführt hatte, für den es leider keine Einträge gab. In ganz Südwales waren nur zwei Mathrys polizeiauffällig geworden: Einer war zweiundzwanzig und saß im Gefängnis, und der andere war siebenundvierzig und wohnte in Newport.
Zu Hause gab ich Paul Mathry bei Facebook ein und fand tatsächlich ein Profil unter diesem Namen, bei dem als Wohnort Südwales angegeben war. Statt eines Porträtfotos enthielt das Profil jedoch nur eine Agenturaufnahme von einem Surfer, der eine spektakuläre Welle abritt. Bis auf gelegentliche Updates über gute Surfspots und in den letzten Jahren unternommene Reisen gab das Profil wenig her, allerdings wurde ein für August geplanter Urlaub erwähnt. Die wenigen »Freunde« des Users trugen typische Surfer-Spitznamen wie Board-Boy und Wave-Rider. Keiner von ihnen schien regelmäßig auf Facebook aktiv zu sein.
Immerhin untermauerte das existierende Profil meine Vermutung, dass »Justin« tatsächlich Paul Mathry war. Auch die Geschichte über das schwangere und im Stich gelassene Mädchen, die mir Gwen erzählt hatte, verriet mir, dass ich auf der richtigen Spur war. Die beiden Alten hatten gesagt, dass Paul den Wohnwagen noch nutzte oder dass sie zumindest hin und wieder darin Licht brennen sahen.
Aber mir fehlte noch die endgültige Bestätigung, dass Paul »Justin« war, damit ich ein Häkchen hinter
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