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Der Preis des Schweigens

Der Preis des Schweigens

Titel: Der Preis des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beverley Jones
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gaben uns natürlich gegenseitig die Schuld –, woraufhin Wendy nur mit den Schultern gezuckt und uns den Trick gezeigt hatte, auf den ihre Eltern zurückgriffen, wenn sie sich wieder einmal ausgeschlossen hatten oder von weit her angereist waren, um bei ihrer Ankunft festzustellen, dass sie den Wohnwagenschlüssel zu Hause auf dem Küchentisch vergessen hatten. Wenn man wusste, wie es ging, war es ganz einfach.
    Es war eine glückliche Fügung, dass der Wohnwagen der Mathrys ganz am hinteren Ende des Geländes stand und seitlich und hinten von einer dichten Hecke umgeben war. Ich stellte mich vor das rechteckige Seitenfenster und zog Dans Schweizer Taschenmesser hervor. Die großen Frontfenster dieser alten Wohnwagen sind aus echtem, fest eingefügtem Glas, aber die Seitenfenster und die kleinen Schlafzimmerfenster sind aus Plexiglas und haben Scharniere mit Sperrvorrichtungen, damit man sie nach außen klappen kann.
    Wendy hatte uns erklärt, dass diese Klappfenster meist nur mit einer dünnen Raste in der Mitte der Scheibe befestigt sind. Wenn man eine Messerklinge zwischen Scheibe und Rahmen schob und sie dann nach oben drückte, konnte man die Raste leicht lösen. Dann musste man nur noch die Hand hineinstecken, die Gleitscharniere aushebeln und die Fensterscheibe anheben, um hineinzusteigen. Die Schlafzimmerfenster waren zu klein dafür, aber durch das Seitenfenster passte problemlos eine erwachsene Person.
    Zwölf Jahre später war dieses Manöver noch genauso kinderleicht wie damals. Nachdem ich ein paar Sekunden forschend mit der Klinge herumgestochert hatte, spürte ich den Rand der Metallraste, die sich erst ein wenig widersetzte, nach einer ruckartigen Bewegung mit dem Messer aber doch aufging. Bei alldem trug ich Handschuhe, denn es schadete schließlich nicht, wenn ich Fingerabdrücke vermied. Nachdem ich die Fensterscheibe angehoben hatte, stemmte ich mich nach oben, schob ein Bein durch die Fensteröffnung und ließ mich auf die gepolsterte Bank gleiten, die sich darunter befand.
    Vorsichtig zog ich das Fenster wieder zu. Ich konnte nicht glauben, dass es wirklich so einfach gewesen war.
    Schwer atmend stand ich von der Bank auf und wartete, bis sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, wobei ich weiterhin auf jedes Geräusch von außen lauschte. Sofort stieg mir der aus meiner Jugend vertraute Wohnwagengeruch in die Nase. Feuchtigkeit, Schimmel, alte Sitzpolster, ein schwacher Hauch von Bratfett, mit dem jemand auf dem kleinen Herd Spiegeleier oder Speck gebraten hatte. Durch diese Duftnoten, die ich von früher kannte, schlängelte sich noch etwas anderes, ein wohlriechendes, pflanzliches Aroma. So roch es in der Asservatenkammer der Kripo, wenn dort wieder einmal die beschlagnahmten Pflanzen einer illegalen Cannabisfarm herumstanden und einen undurchdringlichen Dschungel bildeten.
    Langsam tauchten Umrisse aus der Finsternis auf. Das Interieur aus Kunststoff und Polyester war wie in Wendys Wohnwagen in Braun- und Orangetönen gehalten und recht abgenutzt, aber sauber und ordentlich. Es gab Anzeichen dafür, dass der Wohnwagen in unregelmäßigen Abständen benutzt wurde und dass noch vor Kurzem jemand hier gewesen war. Vor mir auf einem Sitz lagen mehrere zwei bis drei Monate alte Ausgaben des Mirror, und neben der Spüle fand ich eine Schachtel Tetley-Teebeutel und eine offene Packung Pop-Tarts. Ein relativ neuer tragbarer Fernseher stand auf einer seitlichen Ablage.
    Sorgsam darauf bedacht, nichts zu berühren, tappte ich im Dunkeln zum Schlafzimmer und zu einem weiteren kleinen Zimmer mit Schlafkoje, um mich zu vergewissern, dass sich dort niemand versteckt hatte. Aber die Luft war rein.
    Ich knipste Dans alte LED-Taschenlampe an (zum Glück hatte er in unserer Rumpelkammer unter der Treppe jede Menge nützliches Männerspielzeug herumliegen) und achtete darauf, den Lichtstrahl mit der Hand abzuschirmen, damit ihn niemand, der draußen vorbeiging, hinter den zugezogenen Vorhängen leuchten sah. Ich hatte keine Ahnung, wonach ich eigentlich suchte. Ich wollte irgendeinen Beweis für Justins Identität auftreiben, irgendetwas, das ihn belastete. Vielleicht sogar einen Laptop oder gebrannte CDs mit dem abscheulichen Video, die ich stehlen und zerstören konnte, um meine Freiheit zurückzugewinnen. Aber das war wohl ein bisschen zu viel verlangt.
    Ich begann meine Suche in den Küchenschränken, die nur die erwartete Ansammlung nicht zueinander passender Teller, Schüsseln und Tassen

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