Der Priester
sein?«, sagte sie schließlich, als sie wieder etwas herausbekam. »Das kann ich nicht annehmen. Selbst wenn ich wollte. Also, nicht dass Sie mich falsch verstehen, sie ist unglaublich schön …«
Er wollte sie unterbrechen, sie unterbrach ihn jedoch sofort mit einer energischen Handbewegung.
»Nein, wirklich, Vincent, das ist sehr großzügig von Ihnen, aber es wäre nicht richtig.«
Sie brach ab, sah, wie sich ein Schatten auf seinem langen, blassen Gesicht ausbreitete, und suchte weiter nach den richtigen Worten. Dieses Mal jedoch war er schneller.
»Was interessiert es mich, ob es richtig oder falsch ist. Ich will, dass Sie sie haben.« Seine Stimme war jetzt ein tiefes, eindringliches Knurren, und seine Augen blitzten ihr entgegen. Einen Moment lang spürte sie, warum er so ein ausgezeichneter und unnachgiebiger Geschäftsmann war, und erkannte gleichzeitig, dass der Geschäftsmann in ihm ihr überhaupt nicht zusagte. Außerdem wurde ihr klar, dass sie in dieser Auseinandersetzung keinesfalls klein beigeben durfte. In keiner Beziehung. Sie beugte sich über den Tisch und flüsterte in vertraulichem Tonfall:
»Hören Sie, ich bin sehr froh darüber, dass wir Freunde sind, Vincent, und es freut mich, dass Ihnen der Aufruhr gefällt, den wir mit der Maloney-Geschichte erregt haben. Aber wir beide sind Profis. Ich interessiere mich nur für Maloneys Nachrichtenwert. Wenn Sie damit Geld verdient haben, ist das Ihre Sache. Ich muss und will das nicht wissen. Noch wichtiger ist dabei, dass nicht der geringste Verdacht aufkommen darf, dass ich davon finanziell profitiert haben könnte. Wie sollte ich sonst noch irgendetwas darüber schreiben können? Das verstehen Sie doch, oder?«
Sie hielt seinem Blick stand, bis das Feuer in seinen Augen schließlich erlosch. Er nickte, schloss die Hand um die Brosche, griff dann nach der Schachtel und stach die Nadel behutsam wieder in den dunklen Samt. Als sie sah, wie seine langen, weißen Finger sich bewegten, ekelte sie sich mehr denn je bei dem Gedanken an eine Berührung. Aber sie wusste, dass er eine kleine Geste von ihr erwartete. Sie streckte die Hand aus, tätschelte seinen Handrücken zweimal kurz, lehnte sich, bevor er irgendwie darauf reagieren konnte, wieder zurück und lächelte, so freundlich sie konnte.
»Sie verstehen das doch, oder?«
»Nein«, sagte er missmutig, »aber dum spiro, spero, wie man so sagt.«
»Sagt man das?« Siobhan lachte. »Ich glaub, den kenn ich nicht. Nicht einmal vom Hörensagen.«
Er lächelte wieder, wenn auch sehr verhalten. »Das ist nur so ein lateinisches Motto von mir. Ich will damit sagen, dass ich eine andere Möglichkeit finden werde, Ihnen meine Dankbarkeit zu zeigen. Darauf können Sie sich verlassen.«
6
Mulcahy hatte seinen Starbucks-Kaffee gerade erst auf den Schreibtisch gestellt, da kamen sie schon herein. Erst Hanlon, dann McHugh und auch die anderen. Sie sahen aus, als wären sie alle zusammen im Fahrstuhl hochgefahren. Gut eine Minute danach kamen Brogan und Cassidy – wie üblich zusammen. Er überlegte kurz, ob womöglich mehr als kollegiales Verhalten dahintersteckte. Er hatte selten gesehen, dass ein Inspector und ein Sergeant sich so nahestanden. Er war zwar mit Liam Ford auch gut klargekommen, und sie waren oft nach Feierabend noch ein Bier trinken gegangen, trotzdem konnte er sich nicht vorstellen, dass man sich vor der Arbeit traf, um zusammen in ein Meeting zu gehen.
»Sie müssen schon ziemlich früh hier gewesen sein«, merkte Brogan an.
»War wohl auch besser so«, sagte Mulcahy. »Sie sehen aus, als wollten Sie jetzt schon anfangen.«
Sie sah ihn verblüfft an. »Natürlich wollen wir das.«
»Mir hatten Sie gesagt, dass es um neun losgeht.«
»Wir haben die Besprechung doch vorgezogen. Ich habe Andy gesagt …« Brogan zog eine Augenbraue hoch und sah Cassidy an.
»Sorry, Chef, muss ich vergessen haben. Ich war gestern Abend ziemlich erledigt.« Wieder dieser kurze Blick und das unterdrückte Grinsen.
Brogan setzte ein halbwegs entschuldigendes Was-soll-man-mit-solchen-Leuten-machen-Lächeln auf.
»Offensichtlich nehmen Sie den alten Sergeant hier zu hart ran«, sagte Mulcahy und lächelte ihr zu. »Der arme Kerl kommt anscheinend gar nicht mehr hinterher.«
Er sah Cassidy nicht an, spürte aber, dass der Mann neben ihm Schaum vor dem Mund hatte. Mulcahy drehte sich um, sah ihm direkt in die Augen und forderte ihn damit auf, etwas zu erwidern. Cassidy warf ihm aber nur einen zornigen
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