Der Prinz der Rache: Roman (German Edition)
missgestimmt den Kopf und tat als Nächstes einfach das, was er gut konnte: Er erstellte eine Liste, eine Liste von Männern aus dem Hause Gremm, die sich um die Stadt verdient gemacht hatten; von Aschot Gremm dem Gründer bis Hano Gremm dem Reichen. Er zählte alle Vorfahren auf, die sich zu irgendeiner Gelegenheit ausgezeichnet hatten, erwähnte die weitgereisten Seefahrer Habad und Tember Gremm, die im Hohen Rat gesessen hatten. Er verzichtete aber am Ende doch darauf, all die Generationen von Gremms aufzuzählen, die in der Halle, der Versammlung der Patrizier, Stolzes geleistet hatten, denn er spürte, dass er den Bogen damit überspannt hätte. Jede der alten Familien schickte Männer in die Halle, aber nicht jede hatte so viele Seehelden, kühne Kaufleute oder Förderer des Gemeinwohls in ihren Reihen.
Er ließ auch ein paar andere Namen weg, Gremms, die den alten magischen Orden angehört, sie teilweise sogar geführt hatten, denn Magie war nun einmal in Xelidor seit langer Zeit verboten und verpönt. Er erinnerte sich gut daran, dass sein eigener Vater ihm sogar verboten hatte, auch nur nach ihnen zu fragen.
Es blieben vierzehn Namen aus sechs Jahrhunderten, das war ordentlich, selbst wenn er die Verdienste dieser Helden ein wenig aufgebauscht hatte. Aber auch mit dieser imposanten Ahnenreihe war noch nicht viel gewonnen. Sie moderten alle längst in ihren Gräbern, und der gute Ruf der Gremms war ein Ruf der Vergangenheit.
Esrahil Gremm tauchte die Feder ins Tintenfass und kam nun endlich auf den Anlass seines Briefes zu sprechen: So will ich, auch im Namen all dieser verdienten Männer aus dem Haus Gremm, Euer Liebden demütig um Gnade bitten für meine unglückliche Schwester, vor allem aber die unschuldigen Kinder, die doch nichts für den Fehler des Vaters … Er hielt inne. Fehler? Er blickte unglücklich auf das Blatt. Wenn er das Wort strich, musste er noch einmal von vorn beginnen. Aber es klang falsch, wie es da schwarz und hässlich auf dem Papier stand. Aretor Merson war nicht zum Tode verurteilt worden, weil er einen Fehler begangen hatte. Nun, wohl eigentlich doch, aber sein Fehler war, dass er ehrgeizig gewesen und schnell aufgestiegen war. Er hatte sich damit Feinde gemacht, aber das war kein Verbrechen. Das Urteil des Geheimen Gerichts lautete jedoch auf Verrat, Hexerei und vielfachen Mord.
Sollte er also von einem Verbrechen schreiben? Damit würde er jedoch eine Schuld seines Schwagers eingestehen. War das gut oder schlecht? Er ging davon aus, dass der Archont wusste, dass Aretor Merson nichts verbrochen hatte. Jeder wusste es, aber niemand sprach es aus. Sollte er nun der Erste sein?
Er schloss die Augen und lehnte sich auf seinem knarrenden Stuhl zurück. Politik, das war es, worum es hier ging, und die verursachte ihm stets Kopfschmerzen. Er war selten in der Versammlung, eigentlich nur, wenn es sich nicht vermeiden ließ, und er hatte bisher nicht gehört, dass ihn je jemand in der Halle vermisst hätte.
Er sah den feinen Körnern zu, die durch die Sanduhr auf dem Tisch rannen. Die Zeit verstrich, und er kam nicht weiter.
Dann versuchte er, die ganze Sache als ein Geschäft zu betrachten. Er wollte etwas vom Archonten, und dafür musste er etwas bieten. Doch was? Die Stadt hatte das Vermögen des Schwagers eingezogen, offiziell zur Entschädigung der Opfer seiner angeblichen Untat. Damit hatte man die Wogen geglättet, die sich in den ärmeren Vierteln aufgeschaukelt hatten. War das eine Möglichkeit? Sollte er weitere Entschädigungen anbieten, die Schwester und ihre Kinder also freikaufen?
Schweiß trat ihm auf die Stirn. Wenn er dieses Angebot unterbreitete, bestand die Gefahr, dass der Archont es annahm, allerdings ohne etwas dafür zu geben. Und niemand, auch seine Schwester nicht, konnte erwarten, dass er sein eigen Hab und Gut drangab, um sie am Ende doch nicht zu retten.
Seine Hand zitterte, als er das Wort Fehler durch Vergehen ersetzte und dann halblaut mitlesend fortfuhr: … für meine unglückliche Schwester, vor allem aber die unschuldigen Kinder, die doch nichts für das Vergehen des Vaters können. Doch fühle ich mich als Mitglied der Familie Gremm verpflichtet … Er hielt noch einmal inne. Es ging um seine Schwester und ihre Familie. Ihr Verhältnis war allerdings nicht das Beste. Rohana hatte das Elternhaus geerbt, obwohl er der Ältere war, und nun war der Stammsitz der Gremms in die gierigen Finger der Stadt gefallen.
Man würde es versteigern, zum Wohle
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