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Der Prinz der Rache: Roman (German Edition)

Der Prinz der Rache: Roman (German Edition)

Titel: Der Prinz der Rache: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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den Brief zur Hand. Das Urteil war gefällt, schnell und hart, wie es in dieser Stadt eben geschah, und es war mehr als unwahrscheinlich, dass es geändert werden würde. Jedenfalls bestimmt nicht auf ein so dünnes Schreiben hin.
    Und endlich begriff er, was ihn die ganze Zeit so besorgte: Die Herren der Stadt dachten viel komplizierter als er. Gerade weil nicht viel in diesen Zeilen stand, weil er das Offensichtliche verschwieg, würden sie zwischen den Zeilen lesen, hineindeuten, was er gestrichen hatte. Sie würden ihm seine lauteren Absichten kaum abkaufen, denn Lauterkeit begegnete ihnen nicht oft. Sie würden sich fragen, wie ein kleiner Kauffahrer wie er es wagen konnte, seine Stimme zu erheben, würden sich fragen, ob er vielleicht sogar Freunde und Unterstützer hatte, die ihn ermutigten. Esrahil starrte unglücklich auf das Siegel.
    Es war am Ende gleich, was dort geschrieben stand, allein die Tatsache, dass dieser Brief existierte, dass sich eine Stimme gegen das offensichtliche Unrecht erhob, würde als Angriff gewertet werden, ein Angriff auf das Geheime Gericht, den Archonten und die Mächtigen der Stadt.
    Gremm nahm den Brief und warf ihn in die Glut des Kamins. Er nahm den Schürhaken und schürte die Flammen, bis sie ihre Arbeit verrichtet hatten. Erst als nur noch Asche übrig war, ging er zu Bett, mit schwerem Herzen, denn es ging doch um seine Schwester, und trotzdem erleichtert, dass er sich im letzten Augenblick daran gehindert hatte, einen gefährlichen Fehler zu begehen. Mit einem Brief würde er nichts erreichen, außer sich selbst zu schaden.
    In diesem Fall war äußerste Vorsicht geboten, keine Zeile durfte seine Zweifel an den Autoritäten dieser Stadt belegen. Er musste andere Wege finden, seiner Schwester zu helfen.

Die Behausung, die der Eisenkönig ihnen so großzügig vermietet hatte, spottete jeder Beschreibung. Es war eine Höhlung im feuchten Gestein, durch einige morsche Bretter von der Halde abgeschirmt. Es gab keine Fenster, auch keine Tür, nur einige zusammengebundene Latten, die man zur Seite heben musste, wenn man hinaus- oder hineinwollte. Das Stroh war schimmlig, und sie schliefen lieber nur auf ihren Mänteln als auf den Decken, die sie auf dem Stroh vorgefunden hatten.
    Es war Vils Aufgabe, Decken und Stroh vor die » Tür « zu schaffen.
    Tiuri ging ihm zur Hand. » Was glaubst du, wie lange wir hierbleiben müssen, Vil? « , fragte Tiuri leise, als sie draußen waren.
    » Mutter sagt, dass wir schon bald wieder hier herauskommen. «
    » Aber was glaubst du? «
    Vil sah die Elfjährige befremdet an. » Ich glaube das auch « , erwiderte er schließlich.
    » Ich nicht « , sagte Tiuri schlicht.
    » Lass das nicht Mutter hören « , raunte Vil und kehrte zurück in die Höhlung, um noch eine Ladung Stroh hinauszubringen. Es gab kein Licht dort drinnen, auch sonst nichts, was man zum Leben brauchte, kein Geschirr, keine Schüsseln, keine Möbel, aber Rohana Merson verbot ihnen, sich darüber zu beschweren.
    Sie ging hinüber zur Hütte des Eisenkönigs, um wenigstens eine Kerze zu erbitten, und aus irgendeinem Grund bat sie Vil, sie zu begleiten.
    Es war dunkel in der Halde, weil durch die vergitterten Öffnungen in der Decke – der Eisenkönig hatte sie Himmelspforten genannt – kaum etwas vom Licht des bleichen Mondes einfiel, und auch die vielen niedrigen Feuer in der weiten Höhle richteten nicht viel aus gegen diese Dunkelheit. Nur dass ihr Rauch den allgegenwärtigen Fischgeruch überlagerte.
    Vil sah zerlumpte Gestalten an diesen Feuerstellen. Hie und da beleuchteten sie kleine und größere Löcher in der Wand, die ganz offenbar bewohnt waren, und es gab eine große Höhlung auf der gegenüberliegenden Seite der Halde, aus der ein wenig Licht nach außen drang und in der sich den lauten, rauen Stimmen nach zu urteilen etliche Menschen versammelt hatten.
    Jetzt, da er sah, wie hier andere hausten, betrachtete er die Hütte des Eisenkönigs mit ganz neuen Augen. Es stimmte schon, sie war windschief – obwohl es hier keinen Wind gab – und aus tausend verschiedenen Holzstücken zusammengesetzt, aber als sich die Tür in ihren Angeln öffnete, konnte er am massigen Leib des Mannes vorbei einen Blick auf das Innere erhaschen, und er sah, dass sie geräumig und mit richtigen Bohlen ausgelegt war. Es gab sogar einen ausgefransten Teppich. Er sah noch etwas anderes, eine Frau, ähnlich stämmig wie der Herr des Hauses, die aus dem hinteren der beiden Räume

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