Der Prinz der Skorpione: Roman - Der Schattenprinz 3 (German Edition)
erwarten, auch wenn der Erhabene es bis zuletzt gehofft hat. Er hat dabei vor allem darauf gesetzt, dass Ihr der Prinzessin gut zureden würdet. So wird die Sache nur unnötig kompliziert. Werdet Ihr also dafür sorgen, dass unsere Leute in der nächsten Nacht ohne viel Aufsehen und vor allem ohne Widerstand in die Burg eindringen können?«
Almisan schaute auf zu den Sternen. Das war ein Augenblick, vor dem er sich immer gefürchtet hatte, der Augenblick, wenn er seinem Herrn, dem Großen Skorpion, einen Dienst erweisen musste, der sich offen gegen Shahila richtete.
Plötzlich hatte er das Gefühl, beobachtet zu werden. Er lauschte, ja, da war diese kleine Veränderung in der Luft, wie immer, wenn eine bestimmte Art der Magie beschworen wurde. Ohne Zweifel, jemand von seiner Bruderschaft war hier. Seine Hand wanderte zum Dolch, aber dann ließ er ihn doch stecken. Es war nicht verwunderlich, dass der Padischah diesem Boten einen Aufpasser mitgegeben hatte. Sie trauten ihm nicht, was er ihnen nicht einmal übel nehmen konnte. Er tat also so, als würde er den anderen Schatten nicht bemerken. »I hr verlangt viel, Mann«, sagte er schließlich.
Der Bote lachte leise. »S eid Ihr denn nicht darauf vorbereitet, dass Euer Schützling endlich erfährt, was Ihr seid– ein Verräter?«
Almisans Hand schoss vor und packte den anderen an der Kehle. »S eid vorsichtig mit dem, was Ihr sagt, Mann!«, stieß er hervor. Ein kleiner Druck nur, und er würde dem Kerl das Genick brechen. Aber er tat es nicht, sondern ließ den Boten los. »V erschwindet«, knurrte er, »u nd haltet Euch von den Türmen fern. Diese Krieger würden Euch auch in der Nacht treffen, wenn Ihr ihnen zu nahe kommt.«
Der andere stolperte hastig davon. Almisan blieb sitzen, denn er musste nachdenken. Verräter? Er hatte Shahila immer treu gedient, soweit es ihm eben möglich war. Aber es gab einen älteren Eid, einen Eid, den er dem Mann geleistet hatte, der ihn einst eigenhändig aus einem zerstörten Haus gezogen hatte. Akkabal at Hassat hatte ihn gerettet, als er noch ein Knabe und der Padischah ein Prinz gewesen war, er hatte ihn in die Schule der Schatten geschickt, und alles, was Almisan war, verdankte er ihm, dem Großen Skorpion. Der Padischah hatte ihn niemals aus seinem Eid entlassen, auch nicht, als er ihn zu Shahilas Beschützer gemacht hatte, doch hatte er es ihm bisher erspart, sich offen gegen Shahila stellen zu müssen.
Nun allerdings forderte er genau das, und Almisan wusste, dass er seinen Schwur nicht brechen würde. Er holte tief Luft und lauschte dann in die Nacht. Der andere Schatten war verschwunden. Es war also so, wie er es sich gedacht hatte: Der Padischah hatte dem Boten einen Aufpasser mitgegeben, von dem dieser vielleicht nicht einmal etwas gewusst hatte. Almisan erhob sich, rief die Schatten und machte sich auf den Weg zurück zur Burg.
Jamade glitt so lautlos wie möglich zur Burg hinüber. Sie konnte es immer noch nicht glauben: Almisan, ein Meister der Schatten, ein Verräter? Wie hatte man ihn dazu gebracht, die Frau zu verraten, der er Treue geschworen und doch offenbar schon über ein Jahrzehnt gehalten hatte? Aber das würde sie später klären. Schlimmer war, dass sie ihm nicht mehr trauen konnte. War er nun ein Feind oder noch ein Verbündeter? Sie konnte nicht mehr offen zur Herzogin gehen, um ihren Erfolg zu melden. Es konnte ja sein, dass Almisan auch den Auftrag hatte, genau das zu verhindern, und sie unterwegs abfing.
Da war die Mauer. Wenn sie schnell genug war, dann würde sie gleich in der Burg sein. Almisan hatte bestimmt ein Seil verwendet, um herunter- und wieder zurückzukommen. Es war eine unfassbare Chance, und sie gedachte, sie zu nutzen. Oder sollte sie vielleicht doch umkehren, zu Askon? Nein, das wäre lächerlich. Sie war ein Schatten. Und der Auftrag, den sie nun erfüllen konnte, stand über allem. Er würde das verstehen. Und wenn nicht? Sie biss sich auf die Lippen. Dann konnte sie es eben nicht ändern.
Da war das Seil! Sie kletterte rasch hinauf und hoffte, dass Askon es doch verstehen würde. Sie hätte ihn sogar jetzt gerne dabei gehabt, was seltsam war, denn noch nie hatte sie sich gewünscht, dass sie jemand bei ihrer heimlichen Arbeit begleitete, ganz im Gegenteil. Oben angelangt, spähte sie über die Zinnen– keine Wachen. Das ging beinahe zu leicht. Misstrauisch kletterte sie auf den Wehrgang. Alles blieb ruhig. Sie lief rasch über die lange Mauer zur Burg hinüber. Da war
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