Der Prinz der Skorpione: Roman - Der Schattenprinz 3 (German Edition)
und Bein ging. Sie blickte mit offenem Mund ans Ufer. Ein Langschiff trieb dort, mit schwerer Schlagseite und zerborstenen Planken. Es sank.
Staubwolken verbargen das Ufer, aber das Geräusch berstender Mauern schien leiser zu werden. Es schien, als würden die Massarti ins Landesinnere ziehen. Jagten sie immer noch den Marghul? Und wenn sie ihn hatten– was dann? Würden sie ihn töten? Und wenn sie ihn getötet hatten, was würden sie dann tun? Umkehren und den anderen Menschen auf »i hrer« Insel den Rest geben? Sie sah Köpfe im Wasser, Menschen, die um ihr Leben schwammen.
Sie mussten hier weg– doch warum ruderte niemand, und warum trieben sie im Kreis?
»D ie Steuerruder, sie sind ebenfalls fort«, fluchte ein Krieger.
»S o setzt doch Segel!«, rief einer der Scholaren.
»N icht ohne Ruder, wir kentern sonst«, entgegnete der Westgarther finster. Und so trieben sie nur langsam durch das Hafenbecken auf das Ufer zu. Ela fühlte sich unendlich hilflos. Würden die Wächter sie am Ende doch noch erwischen?
»I ch sehe die Steuerruder!«, rief eine junge Scholarin und deutete auf zwei große, im Wasser treibende Holzblätter.
»V erflucht soll Prinz Askon sein«, murmelte ein einäugiger Glatzkopf.
»I ch kann sie holen«, erklärte Sahif.
»D er Oramarer!«, rief einer der Krieger und griff an die Hüfte, wo eine leere Schwertscheide verriet, dass er seine Waffe irgendwo verloren hatte. Verwirrt hielt er inne, aber dann zog er einen Dolch aus dem Stiefel.
»M erkst du erst jetzt, dass er bei uns ist, du Narr? Wenn er uns das Ruder holt, ist er mir willkommen. Wir würden alle nicht mehr leben, wenn er uns nicht den Weg gewiesen hätte.«
»A ber er hat den König ermordet!«
»U nd ich werde dich ermorden, wenn du deine Klappe nicht hältst, Mann«, knurrte der Glatzkopf. »S iehst du nicht, dass die Strömung uns Richtung Ufer treibt? Wir brauchen dieses Ruder. Und wenn der Oramarer es holt, steht er unter meinem Schutz– verstanden?«
»I ch habe dich gehört«, antwortete der Krieger mit düsterer Miene. Dann steckte er seine Waffe wieder weg.
»G ut gesprochen, Sagur«, rief Ghula Mischitu. »I ch würde dir vorschlagen, dass wir einen Waffenstillstand halten, solange wir an Bord dieses Schiffes sind. Denn um die Herrschaft über die Insel müssen wir uns wohl nun nicht mehr streiten.«
Ein lautes Klatschen beendete den Satz. Sahif war ins Wasser gesprungen und schwamm zu dem Ruder, das nutzlos durch das Becken trieb.
»G ut, Waffenstillstand– vorerst!«, entgegnete Sagur düster.
Ela klammerte sich an die Bordwand. Nicht viele hatten es an Bord geschafft, vielleicht dreißig, mehr Krieger als Scholaren. Einige schwammen noch auf das Schiff zu. Ela kam es vor, als seien es weniger als eben noch. Dann fiel ihr ein, dass die Westgarther doch auch Familien hierhergebracht hatten– wo waren die geblieben?
»D a, da vorn!«, rief jemand und zeigte ans Ufer. Eines der Fischerboote wurde ins Wasser geschoben, dann noch eines. Es waren die Frauen und Kinder der Westgarther. Sie ließen die Boote hastig ablegen, und wenn Ela es richtig sah, war es die Königin, die sie befehligte. Beide Kähne waren überladen, aber einer der Männer auf ihrem Schiff rief laut hinüber, und bald darauf winkten alle an Bord, selbst die Scholaren, dass die Frauen herübersteuern sollten, und sie fluchten, weil sie selbst hilflos durch das Hafenbecken trieben und den Leuten in den kleinen Nachen nicht helfen konnten.
Plötzlich fegte ein eisiger Wind über das Wasser. Ela bekam eine Gänsehaut. Weiße dünne Nebelschleier jagten über die Wellen, verblassten, lösten sich auf und verschwanden. Ela sah ihren eigenen Atem in der Luft stehen, als wolle er den Toten hinterher. Es war eiskalt. Die Toten, sie waren davongezogen, und Ela fragte sich, ob sie wirklich in jene nächste Welt gingen oder ob ihnen der Zugang weiterhin verwehrt bleiben würde. Was dann? Würden sie als ruhelose Geister über die Meere ziehen? Sie schüttelte sich und blickte zurück zum Ufer.
Am Fuße des nun völlig zerstörten Kais tanzte immer noch der Alte Lenn, umgeben von einem Flirren, das von den Wächtern stammen musste. Dann sah sie noch etwas, ein drittes Fischerboot, das vom Ufer losmachte. Es saß ein Mann darin, umgeben von einer Frau und einer ganzen Anzahl Kinder. Er machte keine Anstalten, den anderen Booten zu Hilfe zu kommen, nein, er hielt Kurs auf das offene Meer. Sie war sich nicht sicher, aber aus der Entfernung sah
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