Der Prinz in meinem Maerchen - Roman
schlürfte seinen Tee und setzte dann sehr entschieden die Tasse ab. Als er sprach, klangen seine Worte bedächtig und wohlüberlegt. Michelle merkte sofort, dass er hinter seiner Fassade ziemlich verärgert war. »Ich hatte gehofft, dass der Buchladen so gut läuft, dass wir Sie dazu überreden könnten, ihn zu behalten.«
Dass wir Sie dazu überreden könnten. Wir. Die Leseratten gegen die Kulturbanausin Michelle.
»Ich werde durchaus einige der Bücher im Sortiment behalten«, erwiderte sie verärgert. »Der Laden soll Bettlektüre heißen, und es wird dort …« Sie suchte nach einer anderen Formulierung, um nicht geradeheraus lügen zu müssen. »Es wird immer noch einige Bücher zu kaufen geben. Nur eben nicht so viele. Außerdem ist es ein Unterschied, ob der Laden ganz gut läuft oder ob er Profit abwirft. Dass er ganz gut läuft, reicht einfach nicht.«
»Wenn Sie Verluste und Gewinn natürlich nur in rein finanzieller Hinsicht verstehen …«
»Ja, das tue ich. Ich betreibe ein Unternehmen, nicht etwa irgendein Sozialprojekt für Leser der Mittelschicht.«
Weder sprach Rory lauter, noch klang er besonders missbilligend, und dennoch hatte Michelle das Gefühl, sich mehr verteidigen zu müssen, als wenn er sie angeschrien hätte. Auch Harvey war niemand gewesen, der herumgebrüllt hatte.
»Sie finden also nicht, dass der Laden mehr für Sie ist als nur eine Profitquelle?«
»In welcher Hinsicht?«
»Sie haben eine neue Kundschaft gewonnen. Sie tun etwas Gemeinschaftsförderndes, etwas, was Ihnen moralische Überlegenheit verleiht. Sie unterstützen mit den Autorenlesungen, den Buchclubs und den Kinder-Vorlesestunden die kulturelle Szene der Gegend. Steigert das nicht den Wert Ihrer Marke? Färbt das nicht auch auf den Umsatz bei Home Sweet Home ab?«
»Vielleicht.« Michelle nahm sich einen Keks und brach ihn mittig durch. »Obwohl das alles Annas Projekte sind.« Ihr war klar, dass er das wusste.
Michelle spürte, wie ein Splitter der Verbitterung ihre wohlige Laune durchbohrte. Rory gehörte nun zu Annas Vorleseteam, und selbst Owen hatte angefangen, Buchrezensionen zu schreiben – wenn auch unter dem sanften Druck von Becca. Selbst Kelsey hatte eine geschrieben. Doch sie – Michelle – war immer noch diejenige, die die Rechnungen bezahlte und dafür sorgte, dass das Geld floss.
»Ach kommen Sie, geben Sie’s schon zu: Sie lieben diesen Laden!«, rief Rory und schlug einen anderen Kurs ein. »Der Laden ist ein Erfolg, und das ist ebenso Ihnen zu verdanken wie Anna.«
»Nein, ist es nicht.«
»Ist es wohl. Die Art, wie Sie alles renoviert haben. Die Farben. Die … Ware drinnen.« Er runzelte die Stirn und griff nach einem dritten Keks. »Ich kann es nicht genau erklären, weil ich ein Mann bin und von solchen Dingen keine Ahnung habe. Ich weiß nur, dass der Laden mir vorher, als Mr. Quentin noch der Inhaber war, auch gefallen hat. Aber ich habe mich dort nie länger aufgehalten. Nicht so, wie die Leute sich mittlerweile dort aufhalten. Sie bleiben oftmals stundenlang dort. Man trifft sich dort und kommt zusammen.«
Michelle starrte in ihre Tasse und merkte, wie sie innerlich plötzlich fröstelte. Das war zwar nicht das Kompliment, das sie sich erhofft hatte, obwohl sie keine Ahnung hatte, welches Kompliment sie hatte hören wollen . »Das ist nicht mir zu verdanken, sondern Anna.«
»Doch, auch Ihnen, Sie Dummkopf. Sie allein haben das möglich gemacht. Sehen Sie doch mal – Sie könnten ganz einfach ein anderes günstiges Geschäftslokal auftreiben.« Rory nahm sich einen weiteren Keks, sodass Michelle den Keksteller beiseiteschob. »Auf der High Street gibt es genügend Secondhandläden, die nur darauf warten, dass ein anständiger Einzelhändler das Ladenlokal übernimmt. Ich könnte mich gern einmal für Sie umhören.«
»Ich kann mir einen weiteren Laden nicht leisten.«
»Käme das nicht auf die Höhe der Miete an?« Er wackelte mit den Augenbrauen. »Ich bin ein zäher Verhandlungsführer. Für besondere Klienten jedenfalls.«
Michelle schüttelte den Kopf. Eigensinnigkeit hatte sich ihrer bemächtigt, und sie war nicht bereit, die Position aufzugeben, die sie zu Beginn des Streits eingenommen hatte. Sie erlaubte sich nicht einmal, den Gefallen zu würdigen, den er ihr anbot. »Nein, Rory, ich habe einen Plan. Und ich halte mich gern an meine Pläne.«
»Schwimmen nicht alle Wirtschaftsriesen mit dem Strom?«
»Zumindest tun sie so. In Wirklichkeit haben sie jedoch vier
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