Der Prinz in meinem Maerchen - Roman
Besonders der vordere Teil des Ladens sah immer weniger wie eine Buchhandlung aus, sondern eher wie eine Erweiterung des Ladens nebenan. In der Nähe des Schaufensters stand tatsächlich ein Samtsessel, an dem ein Zettel befestigt gewesen war, »Bitte nicht draufsetzen«, den Anna aber entfernt hatte, als Michelle nicht hingesehen hatte.
»Uns bleibt nichts anderes übrig. Wir müssen irgendwie den Profit in die Höhe treiben.« Währenddessen drapierte Michelle die Plaids und räumte dafür eigenhändig Annas Bücher aus dem Weg. »Du weißt doch selbst, wie wunderbar diese Decken sind. Du hast doch selbst eine.«
»Ja, ich weiß, die sind toll, aber … das sind keine Bücher ! Und das hier ist eindeutig ein Buchladen!«
»Prima. Du kannst gerne nur Bücher anbieten, dann können wir aber nächsten Monat den Laden dichtmachen. Willst du, dass dieses Geschäft weiterhin existiert, oder nicht?«
Anna überraschte die Bissigkeit in Michelles Tonfall, doch sie ließ sich davon nicht einschüchtern. »Natürlich will ich den Laden halten. Aber wenn du zu viele andere Dinge hier anbietest, werden die Leute nicht mehr erkennen, dass dies ein Buchladen ist. Alle Kunden schwärmen, wie sehr sie das Geschäft jetzt lieben. Wir könnten uns stattdessen auf andere Dinge konzentrieren. Ich könnte mehr Werbeaktionen durchführen, die Stadtbibliothek mit ins Boot holen …«
»Hör zu – ich weiß genau, was ich hier tue.« Michelle klang nicht wie sie selbst; sie schien angespannt und gestresst zu sein. »Fang jetzt bloß nicht wieder mit diesem ›Alle Bücher sind wertvoll‹-Mist an. Du hast den Laden jetzt gerade einmal acht Monate geführt. Ich dagegen arbeite seit meinem neunzehnten Lebensjahr im Einzelhandel.«
»Was ist bloß los mit dir?«, platzte es aus Anna heraus.
Beide starrten einander an, bis sich Michelle mit der Hand durch das Gesicht fuhr. Sie schien den Tränen nahe zu sein. Unter normalen Umständen wäre Anna die Erste gewesen, die sich entschuldigt hätte, doch heute hatte sie keine Lust dazu. Der Buchladen war ihr Baby, und sie würde wie eine Löwin dafür kämpfen. Der Laden war das Einzige, was ihr noch geblieben war.
»Ich hatte einen schrecklichen Morgen«, erklärte Michelle. »Ich war bei meinem Anwalt.«
»Bei Rory?«
»Nein. Bei meinem richtigen Anwalt.« Michelle ließ sich auf den »Bitte nicht draufsetzen«-Sessel sinken. »Ich lasse mich scheiden.«
»Du hast endlich die Scheidung eingereicht?« Annas Groll wich der Besorgnis um ihre Freundin, und sie ging neben Michelle in die Hocke. »Gut gemacht, Michelle. Gut gemacht! Du hast das Richtige getan!«
Michelle sah auf, und ihr Blick hatte etwas Gejagtes. Von ihrem sonst so selbstbewussten Ausdruck war nichts mehr zu sehen. Selbst ihr Eyeliner wirkte irgendwie schwächer. »So fühlt es sich aber nicht an. Ich habe wirklich Angst davor, was Harvey tun wird, wenn er Post von meinem Anwalt bekommt. Am meisten bereitet mir Sorgen, dass er meinen Eltern erzählen könnte, ich hätte irgendeinen Zusammenbruch erlitten. Sie würden ihm blind vertrauen.«
»Du bist die tapferste Frau, die ich kenne«, stellte Anna fest und meinte es wirklich ernst. »Und die stärkste.«
Michelle lachte kurz traurig auf. »Na ja, ich bin nicht die Person, für die du mich hältst. Bei mir ist eine Menge nur Schau.«
»Das glaube ich nicht«, entgegnete Anna. Das erklärte einigermaßen Michelles schlechte Laune. Wenn sie schon keine Kontrolle über ihre Scheidung mehr hatte, so doch wenigstens über ihren Laden. Anna versuchte, sie aufzuheitern. »Das wird nicht leicht, aber in ein paar Monaten wirst du alles überstanden haben. Dann bist du frei. Konzentrier dich allein darauf. Ihr habt keine Kinder, um die ihr euch streiten müsst, und das Vermögen sollte doch leicht aufzuteilen sein.«
»Ich will kein Geld von Harvey«, erwiderte Michelle.
»Komm schon«, warf Anna ein. »Was wäre denn das Schlimmste, was Harvey tun könnte?«
Michelle schüttelte langsam den Kopf. »Was, wenn er recht hat? Wenn er tatsächlich der einzige Mann auf der Welt ist, der es mit mir aushält? Was, wenn ich gerade einen großen Fehler begehe?«
»Das tust du nicht. Und wenn du das tatsächlich glaubst, bist du allein vielleicht besser dran«, antwortete Anna. »Außerdem kenne ich mindestens einen anderen Mann, der …«
Michelle hob abwehrend die Hand. »Lass das.«
Anna hatte kurz daran gedacht, Michelle von ihrem Streit mit Phil zu erzählen, doch als sie den
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