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Der Prinz von Atrithau

Der Prinz von Atrithau

Titel: Der Prinz von Atrithau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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wurden immer unerträglicher. Kaum eine Nacht verging, in der er nicht lange vor dem Hahnenschrei erwachte, auf seine Decken einschlug, sich das Gesicht zerkratzte und nach alten Kameraden schrie. Es gab kaum Ordensmänner der Mandati, die einen auch nur einigermaßen erholsamen Schlaf hatten. Esmenet hatte einmal im Scherz gesagt, er schlafe »wie ein alter Hund, der Kaninchen jagt«.
    »Eher wie ein altes Kaninchen, das die Hunde flieht«, hatte er geantwortet.
    Aber an Schlaf war inzwischen selbst in der Schwundstufe flüchtiger Ruhephasen zwischen allzu bedrängenden Gedanken kaum mehr zu denken, und es schien, als taumele er nur mehr von einem Horrorszenario zum anderen. Noch vor dem Morgengrauen kroch er aus dem Zelt, schlang sich die Arme um den Leib, um das Zittern abklingen zu lassen, und stand einfach nur da, wenn die Schwärze der Nacht in eine kalte, farblose Fassung des Bildes zerfiel, das er am vorigen Abend gesehen hatte. Und selbst wenn die Sonne schon golden im Osten aufging wie ein Stück Kohle, das durch buntes Papier brennt, hatte er noch das Gefühl, er stünde direkt am Rand der Welt und würde in ein schwarzes Nichts stürzen, wenn der Boden unter seinen Füßen auch nur ein wenig nachgäbe.
    So allein, dachte er dann und stellte sich Esmenet vor, wie sie – ein schlankes Bein aus den Decken gestrampelt – in ihrem Zimmer in Sumna schlief, während die Sonne durch ihre Läden drang und Lichtstreifen auf ihren Körper zeichnete. Dann betete er, dass sie in Sicherheit war, obwohl doch die Götter, zu denen er betete, ihn und Esmenet verdammt hatten.
    Eine Sonne hält uns warm. Eine Sonne lässt uns sehen. Eine…
    Dann dachte er an Anasûrimbor Kellhus, und schon suchten ihn wieder bedrückende Ahnungen heim.
    Eines Abends, als er hitzigen Gesprächen über die Fanim zuhörte, begriff er plötzlich, dass er seine Ängste nicht allein erleiden musste: Er konnte sie ja mit Xinemus teilen.
    Er warf einen kurzen Blick zu seinem alten Freund hinüber, der auf der anderen Seite des Lagerfeuers saß und Schlachten erörterte, die noch geschlagen werden mussten.
    »Natürlich kennt Cnaiür die Heiden!«, protestierte der Marschall gerade. »Ich habe nie etwas anderes behauptet. Aber solange er keine Schlacht mit uns gefochten und dabei die Macht unseres Heeres erlebt hat, genießt er bei mir keine Autorität – und bei unserem Prinzen sicher auch nicht!«
    Konnte er es ihm wirklich sagen?
    Am Morgen nach den schrecklichen Ereignissen in den Katakomben unter dem Kaiserpalast hatte der Heilige Krieg sich in Marsch gesetzt. Alles war das reinste Chaos gewesen. Und selbst da noch hatte Xinemus sich vor allem um Achamian gekümmert und ihn über die Details der vorangegangenen Nacht regelrecht verhört. Achamian hatte – wenn auch in abgeschwächter Version – mit der Wahrheit begonnen und gesagt, Xerius habe eine unabhängige Bestätigung gewisser Behauptungen der Kaiserlichen Ordensleute verlangt. Danach aber hatte er dem Marschall eine Lügengeschichte aufgetischt und behauptet, er habe die Geheimschrift einer verzauberten Landkarte ermitteln müssen. Achamian erinnerte sich schon nicht mehr genau daran.
    Damals waren die Lügen einfach… passiert. Die Auswirkungen der Ereignisse jener Nacht und ihrer Enthüllungen waren zu unmittelbar gewesen, geradezu katastrophal. Sogar jetzt noch – also zwei Wochen später – war Achamian von ihrer schrecklichen Bedeutung überwältigt. Damals hatte er nur flunkern können. Andererseits aber vermochte er gerade Geschichten einen gewissen Sinn abzugewinnen und durch sie Zusammenhänge auszusprechen.
    Aber wie konnte er Xinemus das erklären? Dem Einzigen, der glaubte und vertraute.
    Achamian wartete ab und musterte dabei die hell erleuchteten Gesichter ringsum. Er hatte seine Matte auf der rauchigen Seite des Feuers ausgerollt, um einigermaßen ungestört essen zu können. Nun schien es, als habe die Vorsehung ihn diesen Platz wählen lassen, um ihm einen heimlichen Blick auf das Ganze zu gewähren.
    Als Erster fiel ihm natürlich Xinemus ins Auge, der mit verschränkten Beinen so aufrecht dasaß wie ein Kriegsherr aus Zeüm. Die lachenden Augen und die Krümel im frisch geschorenen Bart straften den strengen Zug um seinen Mund Lügen. Links von ihm schaukelte sein Cousin Iryssas auf dem Stamm eines gefällten Baums, glich in seinem Überschwang einem Welpen mit großen Pfoten und stiftete so viel Unruhe, wie die Geduld der anderen nur zuließ. Zu seiner Linken

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