Der Profi - The Cleaner

der Sohn, mit dem sie damals schwanger gewesen war, was niemand gewusst hatte, war schon geboren, in San Francisco, im Haus ihrer Tante. Zuerst hatte Orlando sich geweigert, ihn zu sehen. Schließlich gab sie doch nach, ließ ihn aber nicht ins Haus.
    »Du warst dort«, sagte Orlando, Quinn nicht nur mit Worten, sondern auch mit dem Zorn anklagend, den jeder Zoll ihres Körpers ausstrahlte. »Du hättest ihn schützen müssen. Jetzt wird mein Sohn nie seinen Vater kennenlernen.«
    Ihre Schuldzuweisungen waren unnötig. Obwohl Quinn wusste, wie wenig er hätte tun können, um seinem alten Mentor das Leben zu retten, hatte er sich selbst schon für schuldig befunden, an Durries Tod zu großen Teilen verantwortlich zu sein.
    Trotzdem versuchte er mit ihr zu sprechen, ihr begreiflich zu machen, dass es ihm genauso schlecht ging wie ihr. Aber sie wollte nicht hören. Sie wollte ihm nicht einmal die Urne abnehmen.
    »Lass mich in Ruhe«, hatte sie gesagt, »ich will nie wieder ein Wort mit dir reden.«
    Und weil sie zeit seines Lebens die Einzige war, zu der er nur schwer nein sagen konnte, hatte er »Okay« entgegnet.
    Sie schloss die Tür. Er blieb noch ein paar Minuten da stehen und hoffte, sie würde zurückkommen. Schließlich stellte er die Urne auf die Schwelle und ging. Innerlich erstarrt und leer.

12
     
    Quinn und Nate trafen sich mittags in der Lobby.
    »Du siehst beschissen aus«, sagte Quinn, als Nate kam. »Hast du nicht geschlafen?«
    Nate hatte dunkle Augenringe. Und obwohl frisch rasiert, gab es ein paar dunkle Flecke, die er ausgelassen hatte.
    »Ich hab gemacht, was Sie mir gesagt haben«, antwortete Nate. »Bin so lange wach geblieben, wie ich konnte. Aber gegen acht Uhr abends war ich fertig. Um Mitternacht hab ich die Augen wieder aufgerissen und konnte bis sieben Uhr morgens nicht mehr einschlafen. Natürlich nur, bis Sie mich angerufen haben.« Er musterte Quinn. »Danke.«
    »Kein Problem.«
    Beide schwiegen ein paar Sekunden.
    »Haben Sie nicht was von Lunch gesagt?«, fragte Nate schließlich.
    »Habe ich.«
    »Bringt man ihn uns hierher?« Nate grinste.
    Quinn verdrehte die Augen und wandte dann seine Aufmerksamkeit dem Hoteleingang zu, beobachtete die Leute beim Kommen und Gehen. Vietnamesen, Europäer, Amerikaner, Männer, Frauen, auch ein paar Kinder. Als Orlando eintrat, sah er Nate an.
    »Jetzt ist es Zeit«, sagte er und ging auf den Ausgang zu.
    Nate, der auch die Tür beobachtet hatte, schien von Quinns plötzlicher Bewegung überrascht. Er war noch immer zwei Schritte zurück, als Quinn vor Orlando stehen blieb.
    »Das also ist Albatros«, sagte Orlando und sah Nate an.
    »Das ist er«, bestätigte Quinn.
    »Was, zum Teufel, soll das heißen?«, fragte Nate.
    Orlando streckte die Hand aus. »Freut mich, dich kennenzulernen, Al.«
    »Eigentlich heiße ich Nate«, sagte er, als sie sich die Hände schüttelten.
    »Wie auch immer«, sagte sie.
    Nate sah Quinn an und dann wieder Orlando. »Und du bist?«
    »Orlando, eine alte Freundin«, sagte Quinn.
    Er ging auf die Tür zu, Orlando im Gleichschritt neben ihm.
    »Wartet.« Nate lief hinterher, um sie einzuholen. Lächelnd setzte er hinzu: »Ich wusste nicht, dass Sie Freunde haben.«
    Quinn trat durch die Tür auf den Gehsteig, Nates Kommentar ignorierte er.
    »Also«, sagte Orlando, »wohin?«
    »Ich hab mir gedacht, wir könnten ein Lokal in der Nähe finden«, erwiderte Quinn.
    »Hm … ich weiß eins«, sagte Nate.
    Quinn warf ihm einen vernichtenden Blick zu.
    »Tatsächlich?«, sagte Orlando. »Wo denn?«
     
    Die Taxifahrt zum Mai 99 dauerte nur wenige Minuten.
    Dieselbe Frau, die Quinn und Nate am Abend vorher begrüßt hatte, war wieder da. Sie lächelte breit, offensichtlich erkannte sie die beiden und führte alle drei zu einem Tisch. Sie legte Speisekarten vor sie hin und kehrte dann auf ihren Platz an der Tür zurück.
    »Ihr kommt also oft hierher?«, fragte Orlando.
    Nate lächelte.
    Ein paar Minuten später kam Anh an den Tisch. »Willkommen«, sagte sie zu Quinn, dann zu Nate: »Hallo, Raymond.«
    »Hei, Anh«, sagte er
    Sie lächelte stärker, nachdem er ihren Namen genannt hatte. »Brauchen Sie noch ein bisschen Zeit, oder wollen Sie gleich bestellen?«, fragte sie.
    »Ich denke, wir sind so weit«, sagte Quinn mit ausdrucksloser Stimme.
    Sie bestellten.
    »Es ist schön, Sie wiederzusehen«, sagte Anh lächelnd. »Ihre Drinks kommen sofort.«
    Als sie ging, sagte Orlando: »Hübsch. Sind wir ihretwegen hier?«
    »Hast