Der Profi
namens Apolinar Estilo. Er nennt sich gerne auch Estilete .« Dann beschrieb ich ihn dem Jungen.
Er spuckte vor mir aus.
»Ich hab keine Ahnung. Lass mich in Ruhe!«
Seine Stimme klang schrill und unsicher.
»Er steht auf junge Männer«, erklärte ich, »am liebsten sind ihm Ausländer. Er genießt es, ihnen Schmerzen zuzufügen. Ich bin kein Bulle! Ich will den Mann bloß umbringen …«
»Und ich will keine Probleme, Mann!«
Er wandte sein Gesicht zur Seite. Ich rührte mich nicht von der Stelle.
»Früher oder später finde ich ihn sowieso. Aber je später, desto mehr Möglichkeiten hat er, noch mehr von deinen Kollegen zu misshandeln, damit sie reif sind fürs Krankenhaus. In diesem Monat hat er schon einen von euch ins Jenseits befördert …«
Auch jetzt schwieg der Junge. Ich beschloss, meine Runde fortzusetzen und mein Glück bei jemand anders zu versuchen.
Da rief er mir plötzlich hinterher: »Hey, du! Was genau hast du mit ihm vor?«
Ich wandte mich um.
»Das hab ich dir doch schon gesagt. Ich will ihn aus dem Verkehr ziehen.«
»Und warum? Was hast du mit uns zu schaffen?«
»Gar nichts, mein Junge. Ich hab schon genug am Hut mit meinen eigenen Problemen. Aber der Typ hat vier meiner Kunden auf dem Gewissen, das will ich ihm heimzahlen. Ich hab ein Problem weniger, ihr vögelt ruhiger, und du könntest dir ein paar Euro Trinkgeld dazuverdienen …«
Der Stricher wischte sich mit dem Handrücken die Nase. Dann zog er lautstark den Rotz hoch.
»Du bist ein Schwein«, fuhr er mich an.
Ich zuckte mit den Schultern.
»Schon möglich …«
Dann herrschte Schweigen.
»Vor zwei Tagen musste mein Freund seinetwegen ins Krankenhaus. Mohammed. Er ist viel jünger als ich. Mohammed kam mit mir aus Marokko.«
Erneut zog er den Rotz hoch. Dann fuhr er fort:
»An diesem Abend war ich nicht hier. Mohammed wusste nicht, dass er es war … Also ist er einfach so zu ihm in den Wagen gestiegen. Gestern habe ich erfahren, dass Mohammed im Krankenhaus liegt. Das Sado-Schwein hat ihm schwere Verletzungen zugefügt.« Dann sagte der Marokkaner unerwartet zornig: »Ich konnte Mohammed nicht helfen. Möchtest du ihn killen? Sprich am besten mit Mohammed selbst. Er weiß, wo der Typ wohnt.«
Ich zog ein paar Scheine raus und steckte sie ihm zu.
Dann versprach ich dem Jungen: »Mach dir keine Sorgen, ich bring das Schwein ins Grab.«
Der Marokkaner verstaute das Geld in seiner Tasche.
»Bring ihn um. Oder er bringt dich um. Wie auch immer: Jedenfalls gibt es danach ein Schwein weniger auf der Welt.«
»In welchem Krankenhaus liegt dein Freund?«
»Im Hospital 12 de Octubre.«
Cruz und ich trafen praktisch gleichzeitig im Hospital 12 de Octubre ein. Doch wie der Zufall es wollte, begegneten wir uns nicht. Es war bereits spät, die Besuchszeiten waren vorüber, und die Krankenschwester, die gerade Schichtdienst hatte, wollte mich nicht durchlassen. Also erzählte ich ihr, ich sei von der Jugendstaatsanwaltschaft und hätte soeben erfahren, dass ein illegaler Immigrant auf ihrer Station liege. Sie wies mir den Weg zu Mohammeds Zimmer. Mohammed war wach und sah fern. Niemand leistete ihm Gesellschaft. Weder ein Sozialarbeiter noch Krankenhauspersonal, Familie oder Freunde. Er war vielleicht fünfzehn oder sechzehn Jahre alt. Er schwieg, als ich hereinkam. Ich legte ihm ein Paket auf die Beine. Aber er rührte es nicht an.
»Da ist ein Gameboy drin! Ich hatte keine Ahnung, auf welche Spiele du stehst, also hab ich dir gleich mehrere mitgebracht …«
Mohammed saß noch immer völlig reglos da.
»Außerdem fünfhundert Euro. Die habe ich mit reingewickelt. Also, pass auf, wenn du das Geschenkpapier aufreißt!«
Ich nahm auf einem Stuhl Platz und schlug die Beine übereinander.
»Du bist ja ordentlich verprügelt worden …«
Ein großer violetter Bluterguss lief ihm quer übers Gesicht. Außerdem zierten seinen Körper mehrere Schnittwunden, er hatte ein zugeschwollenes Auge, seine Nase war verbunden, seine Körperhaltung steif. Offenbar litt er auch unter starken Rückenschmerzen, aber er beklagte sich nicht.
»Du bist kein Polizist, oder?«
Ich schüttelte den Kopf.
Er rührte keinen einzigen Muskel.
»Dieser Typ … der dir das angetan hat …« Ich zögerte und überlegte, wie ich weitersprechen sollte. Damit er mir besser folgen konnte, wechselte ich ins Französische. »Also … du musst wissen … als ich in deinem Alter war, habe ich im Süden von Italien gelebt in der Nähe von Neapel. Mein
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