Der Prometheus-Verrat
von Observationssatelliten. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit insbesondere auf das Foto mit der Kennzeichnung 34-12-A lenken.« Das Bild zeigte Nicholas Bryson an Bord eines großen Containerschiffs. »Mit Hilfe spektralanalytischer Verfahren war es uns möglich zu erkennen, dass er einen Quartzbehälter mit ›Red Mercury‹ in der Hand hält, also jenem nuklearen Sprengstoff, der, wie es heißt, von den Russen entwickelt wurde. Ein übles Zeug.«
»Die Bewohner von Barcelona können ein Lied davon singen«, sagte Corelli. »Eben dieser Sprengstoff wurde bei dem jüngsten Bombenanschlag dort verwendet.«
»Foto 34-12-B ist etwas unscharf, aber Sie werden unseren Mann unschwer darauf erkennen«, fuhr Martin fort. »Es wurde von einer Videokamera im Bahnhof von Lille aufgenommen. « Er hob ein anderes Foto in die Höhe, eine Luftaufnahme der knapp 20 Kilometer südlich von Lille gelegenen Landschaft: ein Bild der Verwüstung, verbogener Gleise und Eisenbahnwaggons, die wie das Spielzeug eines gelangweilten Kindes durcheinandergeworfen waren. »Auch bei dem Anschlag von Lille konnte nachgewiesen werden, dass Red Mercury im Spiel war. Schon rund zehn Kubikzentimeter werden ausgereicht haben.«
Das nächste Foto, das die Runde machte, zeigte Bryson in Genf. »Man muss schon genauer hinsehen, aber dann ist er doch zweifelsfrei in der Menge zu erkennen – vor dem Temple de la Fusterie.«
»Wir dachten, dass er auf irgendeiner Schweizer Bank Schwarzgeld liegen hat«, sagte Morton Culler. »Allerdings war er aus einem anderen Grund in Genf. Aus welchem, wissen wir erst seit ein paar Stunden.«
»Und zwar erfuhren wir von dem Milzbrandanschlag«, erläuterte Martin. »Er wurde genau in dem Altstadtbereich verübt, wo diese Aufnahme von ihm entstanden ist. Er hatte wohl Helfer, die aber wahrscheinlich ahnungslos waren. Doch so viel dürfte klar sein: Auch dieser Anschlag geht auf sein Konto.«
Lanchester lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Er wirkte verstört. »Worauf wollen Sie eigentlich hinaus?«
Corelli antwortete: »Ich würde sagen, Ihr Mann ist die Nummer eins des globalen Terrorismus.«
»Und wer steckt dahinter?« Lanchester schien ins Leere zu starren, doch seine Stimme klang scharf.
»Das ist die große Frage, nicht wahr?«, nuschelte Exum in seiner typisch texanischen Mundart. »John und ich sind in diesem Punkt unterschiedlicher Meinung.«
Von John Corelli mit Blicken dazu aufgefordert, sagte Martin: »Ich bin hier, weil mich Admiral Corelli um Rat gebeten hat. Und was ich zu dieser Sache zu sagen habe, dürfte in diesem Kreis kein Geheimnis mehr sein. Ich glaube nicht, dass Bryson, so verrückt er auch sein mag, auf eigene Faust arbeitet. Ich schlage darum vor, ihm heimlich auf Schritt und Tritt zu folgen, in der Hoffnung, dass er uns zum Hornissennest führt.« Er grinste und entblößte dabei seine kleinen, gelben Zähne. »Auf das wir dann einen Feuerwerfer richten.«
»Johns Leute sind der Ansicht, dass es besser wäre, abzuwarten und weitere Erkenntnisse zu sammeln«, formulierte Exum höflich. Dann beugte er sich über den Tisch und nahm das Foto des zerbombten EuroStars zur Hand. »Meine Meinung ist«, fuhr er in überraschend scharfem Tonfall fort,
»dass wir keinen Moment länger zögern sollten. Mit Verlaub, wir sind hier nicht in einem Debattierzirkel. Wir können nicht warten, bis die Jungs von der NSA ihre Kreuzworträtsel gelöst haben, und darüber in Kauf nehmen, dass es zu weiteren Massakern kommt. Ich bin sicher, der Präsident denkt in diesem Punkt genauso wie ich.«
»Aber Bryson ist unsere einzige Spur … «, hob Corelli an.
Exum schnaubte. »Und wenn Sie erst einmal sieben waagerecht haben, löst sich auch die Zehn senkrecht. Fünf Buchstaben, der erste ist ein E …« Er schüttelte den Kopf. »John, Terence, ich habe größten Respekt vor Ihren gründlichen Recherchen. Aber Sie vergessen darüber eine ganz simple Tatsache: Uns bleibt keine Zeit mehr.«
Lanchester wandte sich an Morton Culler von der NSA. »Was sagen Sie?«
»Exum hat Recht«, antwortete Culler. »Bryson sollte so schnell wie möglich dingfest gemacht werden. Und falls er sich einer Festnahme entzieht, muss er eben ein für alle Mal unschädlich gemacht werden. Setzen wir unsere Alpha-Truppe in Marsch, und zwar mit einer sehr klar formulierten Zielsetzung. Immerhin haben wir es hier mit einem Massenmörder zu tun, der allem Anschein nach weitere, noch schlimmere Anschläge in petto hat. Solange er auf
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