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Der Prometheus-Verrat

Der Prometheus-Verrat

Titel: Der Prometheus-Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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auf die Armut der Massen und den Mangel an staatlicher Fürsorge. Soldaten bettelten um Almosen, babuschki verkauften selbst gebrannten Schnaps, Früchte und Gemüse oder sie versprachen, Passanten für ein paar Rubel die Zukunft vorauszusagen. Wasserstoffblonde Stricherinnen waren häufiger anzutreffen als je zuvor.
    Bryson stieg aus der chauffierten Limousine, nahm die kleine Magnetstreifen-Karte zur Hand, die man ihm in dem braunen Umschlag hatte zukommen lassen, und steckte sie in den Schlitz eines Lesegerätes neben der ramponierten Holztür. Summend öffnete sich die Tür, und er betrat einen dunklen Vorraum. Als die Eingangstür hinter ihm ins Schloss fiel, tastete er nach der zweiten Tür, die ihm der Fahrer in schwer verständlichem Englisch beschrieben hatte. Endlich fand er den kalten Metallknauf, zog die Tür auf und gelangte durch sie in eine bizarre, grelle Halbwelt.
    Violettes, rotes und blaues Licht flutete durch wabernden Nebel und brach sich an alabasternen griechischen Säulen und römischen Statuen aus Gips, an Tresen aus schwarzem Marmor und Barhockern aus Edelstahl. Von oben strahlten Scheinwerfer durch die ehemalige Fabrikhalle. In ohrenbetäubender Lautstärke dröhnte Rockmusik, eine Art russischer Techno-Pop, wie Bryson ihn noch nie gehört hatte. Marihuanarauch mischte sich mit den Düften teuren französischen Parfüms und billigen russischen Rasierwassers.

    Er bezahlte den Eintrittspreis von umgerechnet 250 Dollar und bahnte sich einen Weg durch die wogende Menge aus Goldkettchen- und Rolexuhrenträgern, von denen jeder Zweite trotz der lauten Musik ein Handy am Ohr hatte. Die Frauen in ihrer Begleitung waren entweder Huren oder sahen in ihren tief ausgeschnittenen Tops und kurzen Röcken nur so aus. Kahl rasierte, stämmige Bodyguards stierten finster vor sich hin. Das an den Wänden postierte Sicherheits personal des Clubs trug schwarze Ninja-Uniformen und war mit Schlagstöcken bewaffnet. Hoch über der Tanzfläche schwebte eine Empore aus Glas und Stahl, die den Gästen eine Aussicht wie auf ein Terrarium voller exotischer Geschöpfe bot.
    Über eine metallene Spindeltreppe stieg Bryson auf die Empore hinauf und fand dort eine ganz eigene Welt vor. Hauptattraktion auf dieser Ebene waren Stripperinnen, fast durchweg platinblond, obwohl manche dunkle Haut hatten, deren Oberweiten samt und sonders mit Silikon aufgepolstert waren. Sie tanzten von grellen Scheinwerfern beschienen an verschiedenen Stellen der Galerie.
    Eine Hostess in freizügigem Outfit und mit einem Headset zum Telefonieren kam auf ihn zu und sprach ihn mit ein paar knappen Worten auf Russisch an. Bryson antwortete stumm, indem er ihr zwei Zwanzig-Dollar-Scheine zusteckte, worauf sie ihn zu einer Sitzgruppe aus Chrom und schwarzem Leder führte.
    Kaum hatte er Platz genommen, als ein Kellner eine Auswahl an zakuski brachte, Appetithappen aus der russischen Küche: sauer eingelegtes Zungenfleisch mit Meerrettich, roter beziehungsweise schwarzer Kaviar und Blini, Champignons in Aspik, Mixpickles und Heringshappen. Bryson fand nichts von alledem besonders ansprechend, obwohl er durchaus Hunger hatte. Dann wurde eine Flasche Dom Perignon gebracht – »mit den besten Wünschen des Gastgebers«, erklärte der Kellner. Bryson saß allein und beobachtete das Treiben der Menge, bis er schließlich die elegante, schlanke Gestalt von Juri Tarnapolski auf sich zueilen sah, leutselig beide Hände zum Gruß ausgestreckt. Es schien, als wäre er aus dem Nichts aufgetaucht, doch Bryson ahnte,
dass der ehemalige KGB-Mann von der Küche aus auf die Galerie gelangt war.
    »Willkommen in Russland, mein lieber Coleridge!«, tönte Juri Tarnapolski überschwänglich und umarmte Bryson, der zur Begrüßung aufgestanden war.
    Tarnapolski war ein Mann von erlesenem Geschmack, auch wenn dieser Treffpunkt, den er ausgewählt hatte, anderes vermuten ließ. Wie immer war er überaus vornehm gekleidet; er trug einen Anzug aus einer englischen Maßschneiderei und eine Foulard-Krawatte. Es war sieben Jahre her, dass die beiden das letzte Mal zusammengearbeitet hatten, und obwohl Tarnapolski mittlerweile schon Mitte fünfzig war, zeigte sich in seinem Gesicht keine einzige Falte, was vermuten ließ, dass er die Leistungen der kosmetischen Chirurgie in Anspruch genommen hatte.
    »Sie sehen jünger aus denn je«, sagte Bryson.
    »Man tut, was man mit Geldes Hilfe kann«, antwortete Tarnapolski grinsend und winkte den Kellner herbei, der zwei kleine

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