Der Prometheus-Verrat
über ihn her und warf ihn zu Boden, als er gerade seine Waffe aus dem Gürtel zu ziehen versuchte. Die Verletzung in der Seite schmerzte. Was für ein Miststück, diese Alte , dachte er noch und erkannte mit einem Male, dass die Frau, die ihm da ans Leder wollte, gar nicht alt war, sondern sehr viel jünger und stärker, als es den Anschein gehabt hatte. Sie stach ihn mit dem Daumen mitten ins Auge und rammte ihm gezielt und mit Wucht ihr Knie zwischen die Beine. Bryson brüllte vor Schmerz auf und schlug sie mit roher Gewalt zu Boden. Sein rechtes Auge blutete, doch er konnte noch sehen und was er sah, versetzte ihn so sehr in Angst und Schrecken, dass er das Gefühl hatte, als winde sich ein Aal durch seine Innereien. Sie hatte ein Stilett gezogen, aus dem eine lange, dünne Klinge ragte, die feucht glänzte, als sei sie mit einer viskösen Flüssigkeit überzogen. Er wusste sofort, was das zu bedeuten hatte: Sie war in Toxiferin getaucht, ein Alkaloid, das die Klinge zu einer tödlichen Waffe machte. Schon ein kleiner Kratzer würde in nur wenigen Sekunden zur Lähmung und zum Erstickungstod führen.
Bryson konnte das Gift an der Klinge riechen, als sie um Haaresbreite an seinem Gesicht vorbeisauste; er hatte den Kopf gerade noch rechtzeitig zurückgeworfen. Die Frau sprang hoch, und wieder konnte Bryson der Attacke nur knapp ausweichen. Es erwischte nur einen Hemdknopf, der, von der Klingenspitze abgetrennt, durch die Luft flog. Alles ging so schnell, dass er nicht riskieren konnte, seine Waffe zu ziehen. Wieder blitzte die Klinge vor seinem Gesicht auf, und fast zeitgleich schnellte sein linker Arm vor, dem Stilett entgegen – in gleichsam kontraintuitiver Bewegung, denn anstatt zurückzuschrecken, näherte er sich der tödlichen Gefahr. Bryson bekam das Handgelenk der Alten tatsächlich zu fassen, was diese sichtlich verblüffte.
Aber sie hatte sich schnell wieder gefangen. An Kraft wäre Bryson ihr normalerweise weit überlegen gewesen, doch er war durch seine Schussverletzungen immer noch sehr geschwächt. Davon abgesehen, war seine Gegnerin enorm kampfstark. Während sie ihre Hand aus der Umklammerung
loszureißen versuchte, holte sie mit dem rechten Fuß aus und trat ihm mit der Stahlkappe ihres Schuhs ein zweites Mal in die Genitalien. Wie ein kaltes Feuer strahlte der Schmerz in seinem Unterleib aus, so übermächtig, dass ihm schlecht wurde. Mit aller Gewalt stieß Bryson die Frau zu Boden, wobei ihr die weiße Perücke vom Kopf flog, unter der kurz geschnittene schwarze Haare und der Rand einer Latexmaske zum Vorschein kamen.
Sie schrie auf, und ihre Augen flackerten wild. Wie ein tollwütiges Tier setzte sie sich zur Wehr, während er sie am Boden festzuhalten versuchte. Wieder versuchte sie zu treten, doch diesmal kam er ihr zuvor und fixierte sie mit Hilfe seiner größeren Körpermasse, ohne ihre Hand loszulassen, mit der sie das todbringende Stilett hielt. Sie bäumte sich unter ihm auf, doch er konzentrierte seine ganze Kraft und Ausdauer darauf, die Hand mit der Waffe zurückzudrücken und gegen ihren Hals zu richten. Ihr Arm zitterte, so groß war der Widerstand, den sie aufbrachte. Doch er reichte nicht; Bryson war ihr an Kraft überlegen. Zentimeter für Zentimeter trieb er die giftige Klinge auf den entblößten Hals der Frau zu. Ihre von Latexfalten verunstalteten Augen weiteten sich vor Schreck, als die Schneide ihre Haut aufritzte.
Die Wirkung setzte Sekunden später ein. Das Gesicht der Frau wurde zu einer verzerrten Fratze, Speichel troff aus dem Mund, der wie ein Fischmaul lautlos auf- und zuklappte, und plötzlich erschlafften ihre Glieder. Schnell breitete sich die Lähmung im gesamten Körper aus, bis am Ende auch die Atmung davon betroffen war und auch das letzte Muskelzucken aufhörte.
Bryson zog der toten Frau das Stilett aus der Hand, klappte die Klinge ein und steckte es in die Brusttasche seines Anzugs. Schwer atmend betastete er sein blutendes Auge. Plötzlich war ein Schrei zu hören. Elena kam herbeigelaufen, nahm seinen Kopf zwischen beide Hände und untersuchte mit entsetzten Blicken sein Gesicht. »Um Himmels willen, Liebster!«, flüsterte sie. Und dann: »Gott sei Dank, ich glaube, es sieht schlimmer aus, als es ist. Aber was ist mit ihr? Vergiftet?«
»Mit Toxiferin. Schlangengift, das sie mir einimpfen wollte.«
»Herrje, es hat offenbar nicht viel gefehlt.«
»Sie war sehr stark und sehr gut.«
»Vom Alpha-Team? Was meinst du?«
»Bestimmt von
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