Der Prometheus-Verrat
war.«
»War er das?«
»Ja. Unterwegs erzähle ich dir mehr darüber.«
»Unterwegs? Wohin?«
»Ins Seniorenheim nach Dutchess County. Wir statten unserer alten Tante Felicia einen Besuch ab, und zwar ohne uns vorher anzumelden.«
»Wann?«
»Jetzt gleich.«
Kurz nach halb sieben erreichten sie das sorgfältig gepflegte Anwesen des Seniorenheims Rosamund Cleary. Die angenehm kühle Abendluft duftete nach Blumen und frisch gemähtem Rasen.
Elena ging vor und bat um ein Gespräch mit der Heimleitung. Sie sagte, sie sei bei Freunden in der Stadt zu Besuch und habe so viele gute Dinge über die Einrichtung gehört, die genau das Richtige für ihren kränkelnden Vater zu sein
scheine; es wäre schön, wenn sie trotz vorgerückter Stunde mit einer Person namens Shirley sprechen könne, ihre Freunde hätten diesen Namen erwähnt…
Wenig später betrat Bryson das Haus und fragte nach Felicia Munroe. Da Shirley, Dunnes Kontaktperson, von Elena in Beschlag genommen wurde, war es durchaus möglich, dass sie Dunne nicht sofort anrufen würde. Wenn sie es aber doch täte, wäre das nicht weiter schlimm. Dunne würde glauben, dass Bryson nur auf die eigene Vergangenheit fixiert und damit auf dem Holzweg sei. Die Prometheus-Gruppe wäre beruhigt und würde ihn, Bryson, nicht mehr als unmittelbare Gefahr ansehen.
Sollen die doch glauben, dass ich in meiner eigenen Geschichte herumwühle, dass ich ganz versessen darauf bin.
Was ja auch der Fall ist.
Ich bin versessen darauf, die Wahrheit auszugraben .
Er hoffte, Felicia in einem lichten Moment anzutreffen.
Sie aß gerade zu Abend, als Bryson zu ihr in den hübsch eingerichteten Speisesaal geführt wurde, wo auch andere Heimbewohner allein oder zu zweit an kleinen runden Tischen saßen. Er trat auf sie zu. Sie blickte auf und wirkte alles andere als überrascht; vielmehr schien es, als habe sie gerade erst von ihm gesprochen. Brysons Hoffnung sank.
»George!«, trällerte sie vergnügt. Sie lächelte und zeigte perlweiße, vom Lippenstift verschmierte Zähne. »Jetzt verwirrst du mich aber. Du bist doch längst tot!« Sie sprach wie mit einem unartigen Kind. »Du dürftest eigentlich gar nicht hier sein, George.«
Schmunzelnd stupste Bryson gegen ihre Wange und setzte sich auf einen Stuhl ihr gegenüber. Sie hielt ihn immer noch für seinen Vater. »Du hast mich ertappt, Felicia«, sagte er und tat zerknirscht. »Aber bitte verrate mir doch eines: Auf welche Weise bin ich gestorben?«
Felicia kniff die Brauen zusammen. »Komm mir nicht damit, George. Wie’s passiert ist, weißt du selbst am besten. Lass uns über etwas anderes sprechen. Pete ist immer noch nicht darüber weg.« Sie führte eine Gabel mit Kartoffelpüree zum Mund.
»Warum eigentlich, Felicia? Warum kommt er nicht darüber weg?«
»Ihm wäre lieber gewesen, es hätte ihn selbst erwischt. Und nicht dich und Nina. Er macht sich schreckliche Vorwürfe. Warum nur, fragt er sich immer wieder, warum mussten George und Nina sterben?«
»Ja, warum bloß?«
»Das brauche ich dir nicht zu sagen. Du weißt es schließlich selbst.«
»Nein, ich weiß es nicht. Aber vielleicht kannst du es mir sagen.«
Bryson blickte auf und war überrascht, Elena zu sehen. Die umarmte Felicia, setzte sich neben sie und nahm ihre knochige, von Altersflecken bedeckte Hand in beide Hände.
Ob Felicia seine Frau wiedererkannte? Wohl kaum. Sie hatten sich nur einmal gesehen, und das lag Jahre zurück. Trotzdem schien es, als ob sie Elena auf Anhieb sympathisch fand.
»Er dürfte gar nicht hier sein«, wiederholte Felicia an Elena gewandt und warf Bryson einen kritischen Blick zu. »Er ist tot, weißt du.«
»Ja, ich weiß«, antwortete Elena. »Aber erzähl mir doch bitte, was damals passiert ist. Frei darüber zu reden würde dich vielleicht erleichtern.«
Felicia wirkte bekümmert. »Ich mache mir solche Vorwürfe. Pete sagt immer: Ach, hätte es doch mich getroffen! George war sein bester Freund, musst du wissen.«
»Ich weiß. Schmerzt es dich, darüber zu reden? Über das, was passiert ist? Wie die beiden zu Tode gekommen sind?«
»Es ist mein Geburtstag.«
»Tatsächlich? Wie schön. Herzlichen Glückwunsch, Felicia.«
»Schön? Schön ist das nicht, sondern sehr, sehr traurig. Entsetzlich.«
»Erzähl.«
»Es hat geschneit. Ich habe für uns alle gekocht. Dass das Essen allmählich kalt wird, ist mir nicht weiter wichtig. Das habe ich Pete auch ausdrücklich so gesagt. Aber er wollte
wohl unbedingt die
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