Der Prometheus-Verrat
man ihn beobachtete. Allmählich entspannte er sich wieder.
Er schnappte einzelne Gesprächsfetzen auf; da war von einem »Doppler-Radar« die Rede, von »Scorpions« und »tschechischen Striela Antiair Missiles«.
Bryson sah, wie ihm die hübsche Stewardess einen Blick zuwarf, und lächelte freundlich. »Wo ist Ihr Boss?«, fragte er sie.
Sie wirkte verlegen. »Oh«, antwortete sie, »Mr. Calacanis? «
»Wen sollte ich wohl sonst meinen?«
»Er wird sich seinen Gästen bei Tisch zeigen. Möchten Sie vielleicht jetzt schon eine Kleinigkeit naschen? Kaviar gefällig, Mr. Coleridge?«
»Nein danke, dafür hab ich nichts übrig. Al-Biqa?«
»Wie bitte?«
»Ihr Akzent. Lässt auf einen levantinischen Dialekt des Arabischen schließen, der auf der Beka’a-Ebene gesprochen wird. Habe ich Recht?«
Die Stewardess errötete. »Netter Party-Trick.«
»Mr. Calacanis heuert offenbar aus aller Herren Länder an. Man könnte sagen, er bietet als Arbeitgeber allen die gleiche Chance.«
»Tja, der Kapitän ist Italiener, die Offiziere kommen aus Kroatien, die Mannschaft von den Philippinen.«
»Ein richtiges U. N.-Modell.«
Sie lächelte.
»Und die Kunden?«, wollte Bryson wissen. »Wo kommen die her?«
Das Lächeln war schlagartig verschwunden. »Danach frage ich nicht, Sir«, erwiderte sie kurz angebunden. »Sie entschuldigen mich.«
Bryson hatte überzogen. Calacanis’ Personal war wohl freundlich, aber in erster Linie diskret. Es brächte natürlich nichts, wenn er sich über diesen Mann direkt erkundigen würde, aber er hatte über Dunne und dank eigener Recherchen etliche Informationen zusammengetragen, die ein halbwegs anschauliches Profil ergaben. Vasiliou Calacanis war als Spross einer vermögenden griechischen Familie in der Türkei zur Welt gekommen. In Eton drückte er mit dem Erben eines der größten Waffenproduzenten Englands die Schulbank. Irgendwie – keiner wusste Genaueres – kam es später zu einer engen Kooperation zwischen Calacanis und der Familie des Klassenkameraden, für die er Waffen an die griechischen Zyprioten verkaufte, die gegen ihre türkischen Nachbarn kämpften. Zuvor waren einflussreiche britische Politiker geschmiert und lukrative Beziehungen geknüpft worden; aus Vasiliou wurde Basil und aus Basil schließlich Sir Basil. Er erwarb Mitgliedschaften in den vornehmsten Londoner Clubs. Seine Verbindungen zu Frankreich waren allerdings noch stärker; er gründete einen seiner Hauptsitze in einem enorm prachtvollen Château an der Avenue Foch in Paris, wo er regelmäßig hochrangige Politiker vom Quai d’Orsey empfing.
Nach dem Fall der Berliner Mauer verdiente er durch den Handel mit überzähligen Waffen aus dem Ostblock, insbesondere aus Bulgarien, viel Geld. Nicht weniger lukrativ waren seine Geschäfte mit beiden Kriegsparteien im Iran-Irak-Konflikt,
an die er etliche Hubschrauber verkaufte. Deals in großem Umfang gelangen ihm auch mit Libyen und Uganda. Mit Gewehren, Mörsern, Pistolen, Landminen und Raketen von Calacanis wurden viele Bürgerkriege und Rebellionen geschürt. Er hatte den Luxus seines Jacht-Frachters mit dem Blut Hunderttausender bezahlt.
Einer der Stewards ging von Gast zu Gast. »Das Dinner ist angerichtet, Mr. Coleridge«, sagte er.
Der Speisesaal war noch opulenter, noch extravaganter als der Salon, aus dem sie kamen. Die Wände waren mit Hafen-und Meermotiven bemalt, so dass man den Eindruck hatte, an einem sonnigen, milden Nachmittag im Freien zu sitzen, umgeben von eleganten Segelbooten. Der lange Tisch war mit weißem Damast bedeckt und mit Kristallgläsern und Kerzen festlich geschmückt. Von der Decke hing ein gewaltiger kristallener Kronleuchter.
Einer der Stewards führte Bryson zu seinem Platz neben dem Kopfende des Tisches, an dem ein beleibter Mann mit kurzem grauen Vollbart und dunkler Gesichtsfarbe saß. Der Steward beugte sich zu dem bärtigen Mann herab und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
»Mr. Coleridge«, grüßte Basil Calacanis im sonoren Bass eines Donkosaken und streckte die Hand aus. »Entschuldigen Sie bitte, dass ich sitzen bleibe.«
Bryson schüttelte Calacanis’ Hand. »Selbstverständlich. Es ist mir eine Ehre, Sie kennen zu lernen. Ich habe schon so viel von Ihnen gehört.«
»Gleichfalls, gleichfalls. Erstaunlich, dass wir erst jetzt zusammentreffen.«
»Es hat so lange gedauert, den Mittelsmann auszuschalten«, sagte Bryson grinsend. »Ich war’s leid, immer Stückpreise zahlen zu müssen.« Calacanis gluckste vor
Weitere Kostenlose Bücher