Der Prometheus-Verrat
Augen fortsetzen. «
In Calacanis’ Bibliothek gab es kostbare französische Antiquitäten zu bestaunen, die unsichtbar am Boden festgeschraubt waren. Römische Jalousien und Vorhänge deckten zwei Wände aus Glas ab; an den beiden anderen Wänden hingen gerahmte antike Seekarten. Mitten in einer dieser Wände befand sich eine Eichentür. Wohin sie führte, konnte Bryson nicht erkennen.
Dass sich der Grieche so schnell von seiner Dinner-Party verabschiedet hatte, zeugte von der verführerischen Kraft der Blaupausen und Spezifikationen, die er nun in der Hand hielt. Sie waren von den Grafikern der CIA-Abteilung für technische Dienste erstellt worden, und zwar so kunstvoll, dass selbst ein so erfahrener Waffenhändler wie Calacanis auf sie hereinfallen musste.
Dieser war sofort Feuer und Flamme. Er blickte von den Plänen auf, und in seinen Augen spiegelte sich unverhohlene Habgier. »Eine neue Generation der Antipanzerwaffe JAVA-LIN«, sagte er andächtig. »Wo zum Teufel haben Sie das her?«
Bryson schmunzelte bescheiden. »Sie reden nicht gern über geschäftliche Interna, und ich auch nicht.«
»Leichtgewichtig, von einem Einzelnen zu handhaben. Abdrücken und das war’s dann. Die gleiche Munition – 127-Millimeter-Missiles,
versteht sich –, aber der Zielsucher scheint um einiges verbessert zu sein, vor allem im Hinblick auf mögliche Gegenmaßnahmen. Wenn ich die Pläne richtig lese, kann man mit diesem Ding gar nicht danebenschießen. «
Bryson nickte. »Das hat man mir auch so zu verstehen gegeben.«
»Haben Sie die Quellcodes?«
Bryson wusste, was Calacanis meinte, nämlich die Software, mit der es gelänge, die Waffe von Grund auf nachzubauen. »Selbstverständlich.«
»An interessierten Parteien wird es nicht mangeln. Die einzige Frage ist: Wer hat die finanziellen Mittel? Billig ist diese Waffe nicht.«
»Sie haben bestimmt schon einen Kunden im Sinn.«
»Ja, er ist zufällig an Bord.«
»War er am Tisch?«
»Er hat sich entschuldigen lassen. Gesellschaften sind nicht seine Sache. Zurzeit inspiziert er die Ware.« Calacanis langte nach seinem Handy und tippte eine Nummer ein. Während er darauf wartete, dass am anderen Ende abgenommen wurde, bemerkte er: »Die Organisation dieses Herrn kauft in letzter Zeit groß ein. Mobile Waffen. Ihr Angebot wird sie mit Sicherheit interessieren, und Geld scheint für diese Kundschaft kein Problem zu sein.« Er hielt inne und sagte dann ins Handy: »Bitten Sie Mr. Jenrette, in der Bibliothek vorbeizuschauen.«
Die interessierte Partei, wie Calacanis sich ausgedrückt hatte, tauchte knapp fünf Minuten später in der Tür zur Bibliothek auf, begleitet von Ian, dem Mann mit den schütteren roten Haaren, der Bryson am Hubschrauber in Empfang genommen hatte.
Sein Name war Jenrette, aber Bryson wusste sofort, dass dies nur sein aktuelles Pseudonym war. Als der müde aussehende Mann in mittleren Jahren und mit borstigen grauen Haaren auf Calacanis’ Schreibtisch zuging, traf sein Blick den Brysons.
Kowloon.
Die Dachbar des Miramar Hotels .
Jenrette war ein Agent des Direktorats, den Bryson unter dem Namen Vance Gifford kannte.
» Die Organisation dieses Herrn kauft in letzter Zeit groß ein. Mobile Waffen. Ihr Angebot wird sie mit Sicherheit interessieren, und Geld scheint für diese Kundschaft kein Problem zu sein .«
Geld kein Problem… die Organisation dieses Herrn … kauft groß ein .
Vance Gifford gehörte immer noch zum Direktorat. Harry Dunne hatte also Recht: Das Direktorat existierte noch.
»Mr. Jenrette«, sagte Calacanis, »ich möchte Sie mit einem Herrn bekannt machen, der ein interessantes neues Spielzeug anzubieten hat, das Ihnen und Ihren Freunden bestimmt gefallen wird.« Ian, der Bodyguard und Adjutant, stand mit gestrafften Schultern vor der Tür und beobachtete die Szene.
Vance Gifford war für einen kurzen Moment aus der Fassung geraten, hatte sich aber schnell wieder im Griff und setzte ein Lächeln auf, das Bryson als falsch durchschaute. »Mr. … Mr. Coleridge?«
»Nennen Sie mich doch bitte einfach John«, sagte Bryson. Sein Körper war wie erstarrt, und sein Gehirn arbeitete auf Hochtouren.
»Wie kommt’s bloß, dass ich den Eindruck habe, Sie irgendwo schon einmal gesehen zu haben?«, fragte der Mann vom Direktorat betont jovial.
Bryson tat ganz ungezwungen und lachte, ließ aber den Mann nicht aus den Augen, notierte jedes noch so kleine Muskelzucken im Gesicht, das die Wahrheit unter der Lüge aufdeckte.
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