Der Prometheus-Verrat
unzähligen Greifarme und Fühler aus Wirtschaft und Verwaltung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, diejenigen, die den Gesetzen Nachdruck verschaffen wollen, und diejenigen, die jeden Penny aus uns herauszuquetschen beabsichtigen, schließen sich zu einer mächtigen Allianz zusammen. Dagegen steht unsere Privatsphäre. Dieser Kampf ist schrecklich einseitig. Und darum frage ich Sie, meine geschätzten Kollegen beider Fraktionen: Auf welcher Seite stehen Sie?«
Neuntes Kapitel
N icht hinsehen«, murmelte Bryson, der die Kamera über die Menge schwenkte und durch den Sucher spähte. »Drehen Sie sich jetzt nicht um. Es sind im Ganzen drei, soviel ich sehen kann.«
»In welcher Entfernung?« Sie sprach leise, aber eindringlich und lächelte dabei, was, aus der Nähe beobachtet, grotesk wirkte.
»An die 20 Meter. Sie bilden ein gleichschenkliges Dreieck. Von Ihnen aus gesehen rechts steht eine blonde Frau in einem Blazer; sie hat die Haare hochgesteckt und trägt eine übergroße Sonnenbrille. Im Scheitelpunkt steht ein bärtiger Typ in schwarzer Soutane und schließlich ganz links ein schlanker Mann Mitte dreißig, dunkler Teint, dunkles kurzärmeliges Hemd, dunkle Hose. Alle drei haben ein kleines Fernglas bei sich, und ich bin sicher, sie sind auch bewaffnet. Okay?«
»Verstanden«, flüsterte sie kaum hörbar.
»Einer von ihnen wird der Anführer sein. Auf sein Zeichen kommt es an. Ich werde Sie jetzt auf etwas aufmerksam machen und durch die Kamera gucken lassen. Sagen Sie mir dann, ob Sie die drei sehen können.«
Mit der offenen, flachen Hand deutete er wie ein Kunstkenner auf das Portal und reichte ihr die Videokamera. »Jonas«, platzte es plötzlich aus ihr heraus. Es war das erste Mal, dass sie ihn beim Namen nannte, wenn auch nur bei seinem Decknamen. »Mein Gott, das Blut ! Ihr Hemd!«
»Halb so schlimm«, antwortete er. »Aber das hat sie leider auf uns aufmerksam gemacht.«
Übergangslos wechselte ihre alarmierte Miene zu einem fast albernen Grinsen und sie kicherte, um die drei Zuschauer irrezuführen. Dann setzte sie die Kamera ans Augen und fuhr mit dem Sucher langsam die Menge auf dem Platz ab. »Da, die blonde Frau«, bestätigte sie. Und wenige Sekunden
später: »Der bärtige Priester. Und der jüngere Typ im dunklen Hemd. Alles klar.«
»Gut.« Er lächelte und nickte im Einklang mit seiner angenommenen Rolle. »Ich vermute, die werden sich nach der Pleite an der Straßensperre diesmal besser vorsehen. Nicht, dass sie Probleme damit hätten, unschuldige Passanten zu treffen; allerdings werden sie möglichst wenig Aufsehen erregen wollen und zum Beispiel diplomatische Schwierigkeiten zu vermeiden versuchen. Sonst hätten sie wahrscheinlich schon auf mich geschossen.«
»Es könnte aber auch sein, dass sie noch nicht sicher wissen, ob Sie der Richtige sind«, entgegnete Layla.
»So, wie die sich positioniert haben, scheint darüber kein Zweifel mehr zu bestehen«, sagte Bryson und bewegte die Lippen dabei kaum. »Sie sind in Stellung gegangen.«
»Ich verstehe das nicht. Wer sind diese Leute? Sie, Jonas, scheinen einiges über sie zu wissen.«
»Ich kenne ihre Methoden und weiß, wie sie arbeiten«, antwortete er.
»Woher?«
»Ich habe ihr Handbuch für den aktiven Einsatz studiert«, verriet er, ohne wirklich etwas zu verraten.
»Dann werden Sie auch wissen, was sie zu riskieren bereit sind. Sie sprachen vorhin von diplomatischen Schwierigkeiten. Soll das heißen, dass die Leute in staatlichem Auftrag operieren? Amerikaner? Russen?«
»Sagen wir, sie sind in internationaler Mission unterwegs. Jedenfalls weder im Auftrag Amerikas noch Russlands, Frankreichs oder Spaniens. Sie arbeiten für eine Organisation, die ihre Fäden im Untergrund spinnt, wo es keine Landesgrenzen gibt. Sie arbeiten in Kooperation mit staatlichen Diensten, aber nicht für sie. Im Augenblick scheint es, als warteten sie auf ein Kommando. Deshalb sind sie noch nicht näher vorgerückt. Falls ich aber plötzlich Reißaus nehmen sollte, werden sie mit Sicherheit das Feuer eröffnen, und zwar ohne Rücksicht auf Verluste.«
Die vielen Touristen und Pilger standen mittlerweile so dicht gedrängt, dass man sich kaum rühren konnte. Bryson
fuhr fort: »Ich möchte, dass Sie sich die Frau vorknöpfen. Aber Vorsicht. Die beobachten jede unserer Bewegungen. Vielleicht wissen sie nicht, wer Sie sind, aber dass Sie mich begleiten, wird ihnen mittlerweile aufgefallen sein. Und mehr brauchen sie nicht zu wissen.«
»Was
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