Der Prometheus-Verrat
nannte, Waffen für Terroristen einkaufen. Ich wurde also hellhörig, als ich mitbekam, dass Sie und er zusammentreffen wollten. Offen gesagt, ich habe den halben Abend gerätselt, welche Rolle Sie, Mr. Coleridge, eigentlich spielten.«
Bryson antwortete nicht. Sein Kopf begann fieberhaft zu arbeiten. Jenrette, der ihm als Vance Gifford bekannte Agent des Direktorats, war also mit Jacques Arnauds Unterhändler an Bord des Schiffes gekommen. Arnaud verkaufte Waffen an Terroristen; das Direktorat kaufte ein. Hatte dies – logisch gefolgert – zu bedeuten, dass das Direktorat den Terrorismus auf der Welt sponserte?
»Es ist ungemein wichtig, dass ich zu Jacques Arnaud komme«, sagte Bryson sehr leise.
Sie schüttelte den Kopf und lächelte bekümmert. »Es wird Ihnen wahrscheinlich nicht viel einbringen, uns beiden nicht. Doch das wäre unsere geringste Sorge. Arnaud und
seine Männer sind extrem gefährlich; sie machen vor nichts Halt.«
»Das Risiko nehme ich auf mich«, sagte Bryson. »Eine andere Spur habe ich zurzeit nicht.«
Die Killer folgten den Schreien. Sie hatten den Auftrag aufzuräumen und streiften suchend durch die engen Gassen, die strahlenförmig von der Praza do Obradoiro in Santiago de Compostela abzweigten. Da jetzt klar war, dass sich die Zielperson aus dem Staub gemacht hatte, galt es, alle verloren gegangenen Teammitglieder einzusammeln. Die Toten waren in unauffälligen Fahrzeugen weggeschafft und zu einem kooperativen Bestattungsunternehmer transportiert worden, der falsche Todesurkunden ausstellen und die Leichen in namenlosen Gräbern beisetzen würde. Das war das übliche Prozedere in solchen Fällen, und die nächsten Angehörigen würden, großzügig entschädigt, keine weiteren Fragen stellen.
Bald waren alle Verwundeten und Toten ausfindig gemacht; nur zwei Teammitglieder fehlten noch: die beiden Brüder aus dem Friaul. Sie ließen nichts von sich hören und antworteten auch nicht auf die wiederholt abgesetzten Funkrufe. Man hielt sie für tot. Trotzdem musste die Suche fortgesetzt und zweifelsfrei ermittelt werden, was mit ihnen passiert war. Es konnte ja sein, dass sie verwundet waren, und für diesen Fall gab es eindeutige Vorschriften: Bergung oder Liquidation. So oder so, die Brüder mussten gefunden werden.
Dem Aufräumkommando wurde bald berichtet, dass man in einer stillen Seitengasse unterdrückte Schreie gehört habe. Es folgte den Angaben bis zu einer verlassenen, baufälligen Kirche, in der sie tatsächlich auf die beiden Italiener trafen. Beide waren gefesselt und geknebelt. Der Knebel des einen hatte sich ein wenig gelockert, so dass er in der Lage gewesen war, mit seinen Schreien auf sich aufmerksam zu machen.
»Verflucht, warum habt ihr so lange gebraucht?«, ächzte Niccolo auf Spanisch, kaum dass ihm der Lappen aus dem
Mund genommen worden war. »Wollt ihr uns verrecken lassen? Paolo hat jede Menge Blut verloren.«
»Dumm gelaufen«, sagte einer aus dem Team. Dann zog er eine halbautomatische Pistole und feuerte sie zweimal auf den Kopf des Italieners ab. »Schwachstellen werden nicht geduldet.«
Dann wandte er sich dem anderen Bruder zu, der bleich und zitternd, wie ein Fötus zusammengerollt, in einer Blutlache lag. Seinen weit aufgerissenen Augen war abzulesen, dass er wusste, was ihn erwartete. Als die Waffe auf ihn gerichtet wurde, gab er keinen Mucks von sich.
Zehntes Kapitel
Chantilly, Frankreich
D as Château de Saint-Meurice lag 35 Kilometer von Paris entfernt. Dutzende raffiniert angeordneter Scheinwerfer illuminierten die Pracht des im 17. Jahrhundert gebauten Palais. Nicht weniger prächtig war seine Umgebung mit den gepflegten französischen Gärten, die ebenfalls geschickt beleuchtet waren. Das Château de Saint-Meurice glich einer Theaterbühne, auf der die Reichen und Mächtigen in festgelegter Folge auftraten, ihren Text aufsagten und wieder abtraten. Jeder versuchte, Eindruck zu schinden und seine Rolle in den Grenzen, die ihm seine kunstvolle Maske vorgab, so überzeugend wie möglich zu spielen.
Hauptakteure an diesem Abend waren die Wirtschaftsminister der EU-Staaten, die sich hier zu einem kleinen G-7-Gipfel trafen; die übrigen Anwesenden zählten zur Standardbesetzung jeder hier gefeierten Party: die Schönen und Reichen aus Paris und Umgebung, tout le beau monde , oder zumindest alle von Rang und Namen. Mit glitzerndem Schmuck, der für gewöhnlich in Bankschließfächern aufbewahrt wurde, und in kostbaren Roben gekleidet,
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