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Der Protektor (German Edition)

Der Protektor (German Edition)

Titel: Der Protektor (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Czarnowske
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zu fahren. Geschickt umfährt er Kreuzungen, und wahrscheinlich wählt er Straßen, in denen die Verkehrspolizei nicht auf der Lauer liegt. Er hält vor der Pension, und beim Verabschieden steckt er den Kopf durchs Seitenfenster: „Überlegen Sie sich’s immerhin wegen des Interviews!“ Er grinst breit mit seinen großen Zähnen. „Sie werden durch mich berühmt!“
    Dann gibt er Gas und braust ab.
    Ich betrete das Foyer und begebe mich zu dem jungen Mann an der Rezeption. Jetzt ist es ruhig und still, kein Mensch da. Wir werden reden können.
    Wahrscheinlich ist er bereit, meine Fragen zu beantworten. Hedlund oder Öberg haben ihn befragt, aber es ist nicht schlecht, wenn ich manche Einzelheit selbst von ihm höre.
    Ich lehne mich so an den Schalter, dass es nicht allzu sehr auffällt – es kommen noch verspätete Pensionsgäste vorbei.
    „Können wir ein paar Dinge klären?“
    „Selbstverständlich, mein Herr!“, antwortet der junge Mann und bleibt diskret auf der anderen Seite des Schalters stehen.
    „Haben Sie Doktor Bresson, meinen Landsmann, gekannt?“
    „Das ist schwer zu sagen.“ Der junge Mann lächelt unbestimmt. „Für uns sind die Gäste eher Nummern.“
    „Nummern?“
    „Insofern“, erläutert er, „als wir nur die Zimmernummern mit dem Gesicht in Verbindung bringen. Es ist einfach unmöglich, dass wir uns Namen merken. Aber an den Herrn von 303 erinnere ich mich genau.“
    Der Herr von 303 und weiter nichts.
    „Waren Sie an den Abend hier, als er wegging?“
    „Ja, mein Herr. Er hat mir seinen Schlüssel gegeben.“
    „Dutzende Leute geben Ihnen ihren Schlüssel, nicht?“
    „Es sind nicht Dutzende.“ Er lächelt wieder unbestimmt.
    „Spätabends gehen nicht mehr gar so viel Gäste aus. Und dann… der Herr ist ein paar Abende hintereinander so weggegangen.“
    „Ist Ihnen etwas aufgefallen? War er in Eile?“
    „Das würde ich nicht sagen.“
    Eine ziemlich vage Antwort.
    „Hat jemand auf ihn gewartet? Hat er sich mit jemanden getroffen?“
    „Ich habe nichts bemerkt, mein Herr. An diesem Abend war ich ziemlich beschäftigt.“
    In dieser Antwort liegt eine feine Nuance. Ich brauche ein bisschen Zeit, um mir die nächste Frage zu überlegen.
    „Also hat er sich an anderen Abenden mit jemanden getroffen?“
    Ein leichtes Zögern. Und die Antwort: „Ich glaube ja, mein Herr. Zwei oder drei Abende vor dem… Zwischenfall. Ein Kollege von ihm wartete auf ihn, und sie sind zusammen weggegangen.“
    Ich bitte ihn, diesen Kollegen zu beschreiben, doch die Beschreibung fällt recht unbestimmt aus. Und mehr kommt nicht heraus, sosehr ich mich auch bemühe.
    Ich bedanke mich und steige hinauf auf mein Zimmer.
    Alles ist so, wie ich es heute Nachmittag verlassen habe; übrigens war das schon gestern Nachmittag. Ich schaue auf die Uhr: zwei durch.
    Der Blick hat noch einen anderen Zweck: Ich will feststellen, ob nicht jemand Sehnsucht danach hat, meine Gespräche abzuhören. Nein, noch nicht.
    Ich nehme die Filmrolle aus der Tasche, ziehe sie auseinander und halte sie gegen das Licht. Zweiunddreißig Bilder, von denen ich zwei aus dem Zeitungsausschnitt kenne und sieben, acht mich überhaupt nicht interessieren. Da hat Lundgren irgendwelchen Privatkram aufgenommen, sogar ein recht spärlich bekleidetes Mädchen ist darunter. Das übrige sind Fotos von dem Unfall, und ich habe ein bisschen Mühe, die Negative in Positive umzukehren und die hellen Gestalten in dunkle.
    Die Fotos sind unbarmherzig, zumindest für mich. Der tote Yanis wird herausgezogen, auf den Asphalt gelegt. Der Laster. Der Fahrer. Der Notarzt kommt. Die Tragbahre mit dem weißen, ganz über Yanis Gesicht gezogenen Leinentuch. Die Polizei. Eine stumpfsinnige Visage auf einem Motorrad.
    Am wichtigsten ist für mich, ob Lundgren auch die danebenstehenden Autos mit auf den Fotos hat. Auf zwei oder drei der Bilder sind sie drauf, ziemlich klein. Morgen werde ich Jacob Öberg bitten, mich ins Fotolabor zu bringen.
    Und wer war der Kollege, von dem der junge Mann in der Rezeption sprach? Ob er einmal abends mit Bresson mitgefahren ist? Wer ist es? Ivarsson?
    Ich mache mich fertig zum Schlafengehen, lege mich ins Bett und schalte das Licht aus.
    In Gedanken ziehe ich Bilanz. Die Wanze in dem Autowrack. Die merkwürdige Lage des Bücherstapels in Bressons Appartement.
    Yanis ist nicht bei einem Unfall ums Leben gekommen. Der Zusammenstoß war inszeniert. Ich habe zwar keine Beweise, aber Leute, die unter Beobachtung stehen,

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