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Der Protektor (German Edition)

Der Protektor (German Edition)

Titel: Der Protektor (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Czarnowske
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gegen fünf berichten soll, und steige hinauf zu Öberg.
    Er hat anscheinend eben sein Zimmer betreten, denn ich treffe ihn dabei an, wie er seinen Mantel weghängt, die Tasche steht auf einem Stuhl. Wir wechseln die üblichen Begrüßungen, dann öffnet Öberg die Tasche und nimmt einen Doppelbogen heraus.
    „Das abschließende Gutachten, Herr Kollege“, sagt er kurz.
    „Ich habe es soeben erhalten.“
    Schon an der Art, wie er es mir hinhält, merke ich, dass viele meiner Varianten schon hinfällig sind. Ich wende die Seiten nur um und lese die letzten Zeilen. Unmittelbare Todesursache ist ein Infarkt.
    Öberg schaut mich ruhig mit seinen runden, grauen Augen an – für ihn ist der heikle Fall mit dem französischen Arzt offensichtlich abgeschlossen. Heute oder spätestens morgen werden wir ein Protokoll schreiben, er wird mich einladen, ihn im Winter oder im nächsten Jahr zu besuchen, ich werde ihn zu uns an die Côte d’Azur einladen. Dann wird er mich zum Flugplatz bringen, und wir werden uns wahrscheinlich, trotz der freundlichen Einladungen, in unserem Leben nicht wiedersehen.
    Nein, so wird es nicht sein.
    Ich gebe ihm eines der kleinen Röhrchen aus dem Köfferchen. Er zieht die Brauen zusammen und sieht mich fragend an. Dann betrachtet er den Glassplitter und versucht, das Röhrchen zu öffnen.
    „Nicht!“, warne ich ihn. „Ich habe es im Wagen gefunden.“
    „Und was ist das?“
    „Das weiß ich noch nicht“, antworte ich, „aber es könnte ein Stückchen von einer Ampulle sein.“
    Er begreift augenblicklich. Die Züge seines vollen Gesichts straffen sich mit einem Schlag, seine erste Reaktion ist der Wunsch, das Röhrchen irgendwo hinzulegen, um es nicht in der Hand zu behalten, aber er beherrscht sich. Er geht um den Sessel herum, setzt sich mir gegenüber und legt das Glasröhrchen auf den Tisch zwischen uns beide. Dann sagt er, was man in solchen Fällen sagt: „Was schlagen Sie vor, Herr Kollege?“
    „Als erstes schlage ich vor, dass wir einen Ihrer Toxikologen zurate ziehen.“
    Er schweigt, reibt sich die Schläfe und brummt etwas. Ich kann mir die Gedanken und Gefühle vorstellen, die ihn jetzt bewegen. Nämlich, dass dies eine verwünschte Geschichte ist, von der er noch vor einer Minute dachte, er sei sie los, und jetzt steckt er noch tiefer drin. Dass das, was herauskommt, was immer es auch sei, in keinem Zusammenhang mit dem Tod unseres Arztes stehen kann. Oder dass es eine Falle ist, die ich ihm mit wer weiß welchen Absichten stelle.
    Ich beeile mich, seinen düsteren Gedanken noch eine Nuance hinzuzufügen: „Sehen Sie, Herr Kollege“, sage ich, „ich habe den Wagen nicht richtig untersuchen können. Wenn wir’s mit etwas Modernerem probierten, finden wir vielleicht alle Teile dieser – nennen wir’s mal Ampulle.“
    Ich nehme an, ihm ist inzwischen völlig klar: Ich werde bis zum Ende suchen.
    „Toxikologen“, murmelt Öberg. „Zum Teufel damit!“
    Ich höre mir noch ein paar dieser Ausbrüche an, danach steht Öberg auf, schließt die Tür von innen ab, zieht ein Schubfach in seinem Schreibtisch auf und nimmt eine kleine Flasche und zwei noch kleinere Gläser heraus. Ich verstehe ihn völlig und muss gestehen, dass auch ich das Bedürfnis nach so etwas verspüre. Es kommt mir sehr gelegen.
    Er füllt die Gläser und hebt seines. Dann lächelt er schief und zwinkert mit seinen grauen Augen.
    „Das ist die einzige Toxikologie, die mir gefällt, Herr Kollege. Jetzt wollen wir die Dinge überdenken, die Sie so unversehens zutage gefördert haben.“ Er nickt zu dem Röhrchen hin.
    In der nächsten halben Stunde geschieht einiges: Der Inhalt der Flasche nimmt Zusehens ab, Öberg führt eine Reihe von Telefongesprächen, es erweist sich, dass die forensischen Untersuchungen mindestens eine Woche dauern werden, und schließlich, dass Tierversuche in einem Speziallabor des Zolls gemacht werden können, wo man sich mit Narkotika beschäftigt.
    Wir verbleiben so, dass Öberg die Anträge auf eine Analyse vorbereiten und mich am Nachmittag ins Labor begleiten wird. Das ist genug.
    Ich nehme mein gefährliches Requisit vom Tisch und erhebe mich. Öberg schließt die Tür auf und begleitet mich hinaus.
    6. Die Laborantin Tyra
     
    Das Programm für den Morgen ist geplant, aber ausnahmsweise bedaure ich es nicht. Doch immerhin ist es elf durch, und es wird höchste Zeit, mich im Institut zu zeigen.
    Ich steige auf dem Parkplatz in den blauen Volvo und befasse mich als erstes

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