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Der Protektor (German Edition)

Der Protektor (German Edition)

Titel: Der Protektor (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Czarnowske
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mit der Anzeige meiner Uhr. Ich will überprüfen, ob ich schon der Beobachtung für würdig befunden werde. Nein, man hat den Volvo noch in Ruhe gelassen.
    Die Schlussfolgerung, die ich ziehe, ist nicht sehr tröstlich.
    Also bin ich noch weit von der Wahrheit entfernt. Es gibt ein Kinderspiel mit „kalt“ und „heiß“, das hier ist etwas Ähnliches. In dem Moment, wo es „heiß“ wird, wird man mir eins der Wunderwerke der Mikroelektronik anhängen. Für den Augenblick fühlt sich derjenige, der Bresson beobachtet hat, von mir nicht gefährdet. Das ist nicht gut.
    Auf dem Stadtplan ist das Universitätsviertel in ein altes und ein neues unterteilt, und es ist nicht weit – man muss nur über den Marktplatz und eine der Brücken fahren, danach durch den Universitätspark. In der Realität freilich zeigt es sich, dass die Brücke ausgebessert wird, die Richtungspfeile der Verkehrszeichen nötigen mich zu einem Umweg, und ich verliere noch eine halbe Stunde, bis ich den Park erreiche.
    Zu beiden Seiten erscheint kurzes, gleichmäßig geschnittenes, von den Schatten mächtiger Bäume geflecktes Gras. Eine Abzweigung von der Straße wird zur Allee – sie führt nach innen und endet in einem von Verbotszeichen eingekesselten Gewirr von Autos.
    Der Herr über dieses blecherne Ameisengewimmel – ein junger Mann in Uniform – erklärt mir, dass die Weiterfahrt nur für Krankentransporte gestattet ist.
    „… und für die Autos der betagten Professoren“, fügt er hinzu. „Wegen der Antike, mein Herr.“
    Jetzt bemerke ich erst, dass rechts und links ein paar hinfällige Überreste von Festungsmauern stehen.
    Ich denke kurz an den Denkmalschutz in anderen Ländern. Doch nach der Plackerei und den Benzindünsten in der Garage sind mir immerhin ein paar Minuten geschenkt, in denen ich zu Fuß gehen und Atem holen kann. Es riecht nach Meer und frisch gemähtem Gras.
    Drinnen verzweigen sich die Alleen, machen Bogen um die Bäume. Dahinter sieht man im hellen Sonnenlicht die rötlichen, strengen Umrisse von Gebäuden. Sie sind in dem düsteren Stil der dreißiger Jahre gebaut und erinnern an die Universitäten zu Shakespeares Zeiten. Auch der Park ist typisch nördlich – glatt beschnitten und hell. Überall eilige Studenten. In einem sonnigen Winkel stehen Rollstühle mit in Decken gehüllten Patienten. Irgendwo in der Ferne ist das gedämpfte Heulen eines Krankentransporters zu hören. So ist das. Die Ambulanzen fahren immer zu anderen. Bis sie eines Tages auch zu uns kommen.
    Das Institut für Immunologie stellt sich als eine dieser dunkelroten Ziegelbauten mit Säulenvorbau und einer ziemlich dunklen Vorhalle heraus. Der Pförtner sieht sich meine Karte an, dann fährt er mit dem Finger eine vor ihm liegende Liste entlang. “Dritter Stock links, Herr. Frau Doktor Falk hat Ihretwegen angerufen.“
    Trotz seines tristen Äußeren ist das Gebäude innen hell und freundlich. Sonnenlicht fällt durch die Fenster auf einen ockerfarbenen Läufer. Hinter den geschlossenen Türen brummen Zentrifugen in verschiedenen Tonlagen, und überall schwebt der feine, alles durchdringende Geruch von Aceton.
    Ich finde das Namensschild und klopfe an. Von drinnen vernehme ich die Stimme Doktor Falks, die mich begrüßen kommt.
    Das Laboratorium ist hell, klein und sehr sauber. Auf den Tischen vor den Fenstern stehen Gestelle mit Reagenzgläsern, Schalen, Zylindern, in denen lange Pipetten stecken. An den Wänden Thermostate und Kühlschränke, die sich mit sanften Schnurren einschalten.
    Das Arbeitszimmer von Doktor Falk ist nebenan die Tür ist halb offen. Genau wie am Abend zuvor, adrett in ihrem gestärkten Kittel, ist Hanna Falk sachlich und sehr vorsichtig in ihren Worten. Sie fordert mich zum Setzen auf, stellt ein paar rituelle Fragen und fährt fort: „Ich habe mit unserem Chef gesprochen, Professor Rotenburg. Er hat sofort angeordnet, Ihnen jede Unterstützung zu gewähren… und um eine gewisse Diskretion gebeten.“
    „Machen Sie sich keine Sorgen!, sage ich. „Mir liegt selbst nicht daran, im Institut viel Lärm zu machen.“
    „Der Herr Professor bittet sehr um Entschuldigung!, fügt Doktor Falk recht unsicher hinzu, „aber heute ist es ihm nicht möglich, Sie zu empfangen. Er hat zwei wichtige Beratungen.“
    Schon klar. Solche diplomatischen Beratungen sind mir zur Genüge bekannt. Und morgen wird der Professor wahrscheinlich verreisen. Aber das ist für mich im Augenblick ohne Bedeutung. Wichtiger ist etwas

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