Der Protektor (German Edition)
führen also Sie?“
„Ja. Manchmal hat Doktor Bresson etwas hinzugefügt. Sonst habe ich sie geführt. Warum, ist das zu beanstanden?“
„Nein, nein! Ich frage bloß. War der Doktor den ganzen Tag hier? Ist jemand zu ihm gekommen?“
„Freilich… Alle waren da. Doktor Falk, Doktor Hausen… Und gegen Mittag war er in der Radiologie und hat unsere Proben von dort mitgebracht.“
Das ist eine meiner Aufgaben – mir diese Zusammenarbeit anzusehen. Die Radiologie interessiert mich überhaupt lebhaft.
„Sind die Proben hier? Haben Sie in letzter Zeit viele Versuche damit gemacht?“
Sie überlegt.
„Wie soll ich sagen… Die beiden Serien waren abgeschlossen. Das war die Dritte. Aber das werden Sie in den Laborjournalen sehen.“
„Gut. Wann ist Doktor Bresson am Abend weggegangen?“
„Das weiß ich nicht. Er ist nach mir noch dageblieben.“
„Und ist Ihnen am nächsten Tag etwas aufgefallen, Tyra?“
„Nein… Das Labor war schon versiegelt.“
„Ich danke Ihnen, Tyra“, sage ich. „Und jetzt bitten Sie Doktor Falk, für ein paar Minuten zu mir zu kommen.“
Sie steht auf und sagt zögernd: „Sie gehen…sicherlich da hinein?“
„Ja. Wir beide werden da hineingehen. Sie müssen tapfer sein. Und sich erinnern, was von Ihnen alles drin war und wo es gestanden hat. Aber zuerst schicken Sie mir bitte Doktor Falk.“
Sie geht hinaus und stöckelt rasch über den Korridor, dann klopft sie an das Zimmer von Doktor Falk. Ich bleibe vor der Tür auf der anderen Korridorseite stehen. Die Klebestreifen nehmen sich darauf wie Flicken aus – aus herausgerissenen Seiten geschnitten und mit spitzer Frauenhandschrift beschrieben. Es war eine reine Formalität. Wenn jemand hier drin war, dann war er es noch in der Nacht.
Doktor Falk und Tyra erscheinen auf dem Korridor, ich schließe wortlos auf, und wir gehen hinein.
Das Zimmer entspricht dem von Doktor Falk, nur das es nach Osten liegt. Ein Schreibtisch steht drin mit den unvermeidlichen Zeitschriften- und Bücherstapeln, ein Bücherschrank und ein paar Stühle. Am Fenster steht ein kleiner Labortisch mit Mikroskop. An der Hakenleiste hinter der Tür hängen Kittel. Alles ist so, als müssten nicht wir, sondern Doktor Bresson jetzt hier eintreten, einen Kittel anziehen, die Tür zum Nebenzimmer öffnen und sich erkundigen: „Hat jemand nach mir gefragt, Tyra?“
Das ist das Gefühl eines Augenblicks, stark und traurig.
„Tyra“, sage ich, „jetzt sehen Sie aufmerksam hin. Ist da irgendetwas verschoben, oder fällt Ihnen sonst etwas auf?“
Nein, nichts. Sie geht durch das Zimmer, hebt zwei kleine Gestelle mit Reagenzgläsern hoch, die auf dem Labortisch stehen, und betrachtet sie, zieht vorsichtig die Schreibtischschubladen auf. Sie sind voller Laborkram, Heftern, Zetteln mit notierten Buchtiteln, Scheren und alten Gummistöpseln.
„Können Sie finden, was er damals geschrieben hat?“
Das frage ich leise, aber nachdrücklich. Diese Aufzeichnungen interessieren mich.
Sie schüttelt den Kopf: Ich sehe nichts.
Diese Blätter sind wohl kaum hier. Wenn er tagsüber geschrieben hat, hat er sie wahrscheinlich mitgenommen, und ich muss sie abermals in seiner Unterkunft suchen.
Vom Arbeitszimmer gehen wir weiter ins Labor. Doktor Falk entschuldigt sich – bei ihr laufe ein Versuch. Wir beide aber sehen uns die Arbeitsplätze an den Fenstern an, den Schrank mit Glasröhrchen, wir öffnen den Kühlschrank, die beiden Thermostate voller Gestelle und kleine Reagenzgläser. Nichts.
Ich verfolge aufmerksam Tyra, ihren Gesichtsausdruck und ihre Bewegungen, und auf einmal bemerke ich, dass sie zögert. Im nächsten Augenblick bin ich bei ihr. Was gibt es? Auch wenn es nur eine Kleinigkeit ist!
„Sehen Sie die Reihenfolge“, sagt sie leise. „Ich hatte sie nicht so hingestellt.“
Auf dem obersten Fach steht ein Dutzend Kolben, mit hellblauem Ölstift beschrieben. Alle sind halb voll Serum. Ich bemerke nichts Auffälliges daran, doch Tyra sagt noch einmal: „Nummer sieben steht hier vor acht. Aber das ist falsch.“
Ich begreife nicht, was sie meint. Die Kolben sind von eins bis zwölf nummeriert. Ein paar Nummern fehlen, die Drei, die Fünf, die Neun, aber alle sind in aufsteigender Reihenfolge aufgestellt. Warum gehört die Sieben da nicht hin?
„Nein“, beharrt Tyra, „das war eine Probe aus der vorangehenden Serie, und wir haben sie ans Ende gestellt, um eine Verwechslung zu vermeiden. Und jetzt steht sie zwischen den anderen.“
So
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