Der Protektor (German Edition)
quadratischen Scheiben stehen und schaue hinaus. Man sieht nur einen Teil des Parks, eingefasst von eben solchen Ziegelbauten und den herbstlich gefärbten Bäumen. Ein Eckchen von einem Tennisplatz zeigt sich dunkelrot mit hellen Linien. In einem Fenster gegenüber erscheint für einen Augenblick eine Frau im weißen Kittel, über die asphaltierte Allee fährt ruhig ein Transportauto. Institutsalltag. So war es auch an den Tagen, als Bresson hier war, als er mit Tyra Kaninchen aus dem Vivarium geholt oder sie sich über nicht ausgewaschenen Pipetten geärgert haben, und die Zeit verrann, zählte die Augenblicke, die noch bis zu der Nacht auf der Straße nach Garvaregarden blieben.
Die Nacht auf dieser Straße. Ich denke an diese Nacht, an das Gespräch mit diesem sympathischen Großkotz Lundgren, an seine Fotos, und ich merke, dass mir irgendetwas verquer sitzt. Das ist ein sicheres Zeichen, ich weiß es aus Erfahrung. Ich hätte Lundgren etwas fragen und er hätte mir darauf antworten müssen.
Mir ist klar, dass ich mich mit ihm wieder treffen möchte. Ich schiebe die Laborjournale zur Seite, nehme ein Dutzend Zettel aus der Sakkotasche und beginne Namen, Fakten und Orte aufzuschreiben. Dann versuche ich sie so zu ordnen, dass sich irgendein Zusammenhang ergibt. Das ist so etwas wie eine Patience, die regelmäßig nicht aufgeht aber einem beim Nachdenken hilft. Und dabei wird offenkundig, wie viel man noch nicht weiß.
Die Patience geht auch jetzt nicht auf und wird in die Tasche zurückgesteckt. Abermals nehme ich mir die Protokolle vor. Ich notiere mir sogar die kleinen Abweichungen, die Wiederholung von Versuchen, Bressons Anmerkungen. Yanni hatte eine besondere Art, Korrekturen anzubringen, und hat die Protokolle als Arbeitsprotokolle angesehen, als nichts sonst. Am Rande hat er Ausrufezeichen und allerhand Figuren angebracht. Das sind keine Chiffren, sondern einfach seine eigenen Zeichen – Dreiecke für die Wiederholungen, Kreise für die Ergebnisse, die ihm bemerkenswert erschienen. Es gibt auch Randbemerkungen, die mich erheitern. An einer Stelle hat er geschrieben: „Schlafmütze, wo bleiben die Kontrollen?“ Und die Kontrollen sind tatsächlich nicht eingetragen. An anderer Stelle hat er für Tyra vermerkt: „Das Serum ist nicht gereinigt!“, und Ähnliches.
Nach einer Weile klopft es an der Tür, und ich höre Doktor Falks Stimme: „Ist Ihnen nicht schon ganz schwach vor Hunger, Kollege?“
Das ist es mir schon lange- es wird Zeit, dass meinem Motor ein paar Kalorien zugeführt werden.
Ich schließe auf, und nach kurzem Verhandeln begeben wir uns in die Klub Gaststätte.
Wir gehen durch die Allee, vorbei an gleichmäßig beschnittenen Beeten mit kleinen, gelben Chrysanthemen, von denen der herbe Geruch des Herbstes aufsteigt. Wir reden über Allgemeines – von Paris, das mir jetzt unendlich fern erscheint, von bekannten und unbekannten Kollegen. Und beide denken wir an Bresson, der nicht mehr hier ist.
Ich wähle einen passenden Augenblick und verhalte den Schritt.
„Kollegin Falk“, sage ich „gestern Abend habe ich Sie etwas nicht gefragt, weil Sie es vielleicht taktlos finden könnten. Aber es ist wichtig.“
Sie verlangsamt ebenfalls den Schritt.
„Was ist es?“
„Sie haben mit Yanis gearbeitet… mit Doktor Bresson… haben sich oft gesehen… Hatte er eine persönliche Schwäche? Ich meine, eine Schwäche, die jemand anderer hätte ausnutzen können?“
Doktor Falk schweigt, schüttelt nur den Kopf.
„Alkohol?“, dringe ich weiter in sie. „Glücksspiel? Drogen? Verstehen Sie mich richtig, ich kenne ihn seit langem, aber hier war etwas anderes. Und es ist sehr wichtig, wenn auch schon nicht mehr für ihn…“
„Nnnein.“
Ein winziges Zögern, aber ich hake sofort ein.
„Ich bitte Sie! Glauben Sie mir nicht?“
Sie verzieht die Lippen.
„Das… ist keine Schwäche. Nicht für sein Verständnis, wie mir scheint.“
„Was?“
„Doktor Ivarsson … Sie wissen, der Kollege aus der Radiologie, mit dem er zusammengearbeitet hat, ist ein anderer Typ. Und hat ihn zwei-, dreimal ins Spielkasino mitgenommen… Mich sogar auch einmal. Yanis fand es interessant, nichts weiter.“
„Aber es ist Ihnen aufgefallen. Hat er gesetzt?“
„Ach, nein, nein!“ Sie hebt die Hand. „Ganz unbedeutende Beträge, es ging ihm mehr um die Leute. Dort versammelt sich ein buntes Völkchen, deshalb.“
„Und Doktor Ivarsson, hat der gespielt?“
„Hugo?“ Sie lächelt. „Ich
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