Der Protektor (German Edition)
besten Typs. Man hört nicht mal die Pipette am Kolbenrand anschlagen. Tyra ist einfach ein Bestandteil des Labors. Ein liebes Mädchen, klug und geschickt, das gern mit Yanni gearbeitet hat. Sie hat all seine Schwächen gesehen, sich bemüht, seine Versäumnisse und seine Liederlichkeit auszubügeln, hat ihm eine Atmosphäre geschaffen, in der seine Ideen entstanden. War er sich bewusst, wen er da um sich hatte?
„Tyra“, beginne ich leise, „in welchem Versuch Doktor Bressons hat es einen Fehler gegeben?“
Sie legt den Zeigefinger auf die Pipette, damit die Lösung nicht herausläuft, und wendet mir ihre großen, erstaunten Augen zu.
„Was für einen Fehler?“
„Da, sehen Sie sich das an.“
Sie bläst die Pipette aus und legt sie weg, um sich den Zettel anzusehen, den ich ihr gebe. Ihre Verwunderung ist ganz ungekünstelt.
„Ich weiß nicht, wahrscheinlich meint er die Tiere, aber was sollte da irrtümlich hingegeben worden sein?“
Dann dreht sie den Zettel um.
„Sie sind ordnungsgemäß bestellt. Und Hugo… das ist Doktor Ivarsson.“
Sie kann mir keine Auskunft geben, Bresson hat ihr einfach zu wenig über diese merkwürdige Serie gesagt.
„Erinnern Sie sich an die Tiere, Tyra? Es ist ja noch nicht so lange her.“
„Die Tiere? Ich glaube schon. Ja, natürlich! Ich habe sie präpariert und zum Bestrahlen gebracht. Zu diesen Serien haben sie gehört.“
Erneut brüte ich über dem Kreuzworträtsel. Irgendwo war ein Fehler, Bresson hätte das nicht mit dem spöttischen „mein Lieber!“ hingeschrieben, wenn er nicht sicher gewesen wäre. Ob ich die Berechnungen prüfen muss? Dazu benötige ich freilich weitere Angaben, und zwar von der Radiologie.
Von Hanna Falk. Oder von der Laborantin Doktor Ivarssons, Helene Traugott. Diese Helene mit ihrem Interesse für die männlichen Mitglieder unserer Arbeitsgruppe.
„Tyra“, sage ich vorsichtig. „Sie kennen doch die Laborantin von Doktor Ivarsson?“
Ein schneller Blick. In den sanften Augen blitzt für eine Sekunde leise Feindseligkeit auf, die gleich von weiblicher Neugier verdrängt wird.
„Ja, die kenne ich.“
Der Ton ist mehr als deutlich. Leo Hausens Affäre hat alle verärgert. Nicht, dass sie speziell etwas dagegen hätten, sie finden nur die ganze Geschichte allzu leichtfertig und banal.
Und jetzt interessiert sich auch der Inspecteur générale dafür!
Nur, dass mein Interesse nichts mit Hausens Seitensprung zu tun hat.
„Wusste sie über Doktor Bressons Versuche Bescheid?“
Dieses „wie soll ich sagen“ ist ebenfalls aufschlussreich. Großer Gott, wie es diese Frauen verstehen, mit einer Nuance in der Stimme jemanden zu charakterisieren! Voreingenommen, versteht sich.
Ich muss in die Radiologie. Kevin hat mir für heute die Kopien der Protokolle versprochen. Und wenn möglich, möchte ich Frau Helene Traugott sehen. Ich werde Bressons Berechnungen auf den Abschnitten sorgfältig abschreiben und mit ihr sprechen. Helene Traugott kennt mich nicht, schuldet mir aber schon einige Erklärungen.
„Sehen Sie, Tyra“, sage ich, „ich möchte Sie auf etwas hinweisen. Wenn Sie merken, dass sich jemand für Sie zu interessieren beginnt, sagen Sie es mir bitte.“
„Sich zu interessieren?“, wiederholte sie betroffen. „Meinen Sie etwas…“
„Ich rede von etwas anderem, Sie brauchen nicht beleidigt zu sein! Nehmen Sie sich einfach vor den Leuten in acht, die an diesen Versuchen beteiligt sind.“
Ich spreche es aus und beginne abzuwägen, wie bedroht sie ist. Nicht im Moment, sondern überhaupt. Solange die von mir sogenannten Wiederholungen laufen, wird mein Gegner abwarten, wird er nichts unternehmen, was ihn verraten könnte. Doch eines Tages wird er erkennen, dass ich ihn an der Nase herumführe, und dann muss nicht nur Tyra, dann müssen wir alle auf der Hut sein. Und zwar sehr, denn der andere wird in seinen Mitteln nicht wählerisch sein.
Wir wechseln noch ein paar Worte, und ich breche auf. Ich gehe am Labor von Doktor Falk vorbei, aber sie ist nicht da, ihr Arbeitszimmer ist abgeschlossen.
Tut nichts, ich sehe sie später oder am Abend. Jetzt in die Radiologie.
Der Pförtner teilt mir freundlich mit, dass Frau Traugott oben ist. Sie ist noch nicht gegangen. Herr Nielsen freilich ist leider…
Jetzt verspüre ich leichten Ärger wegen meiner Verspätung. Ich hätte ja erst hier vorbeigehen können! Jetzt muss ich noch einen Tag auf die Kopien der Protokolle warten.
Es zeigt sich, dass mein Ärger
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