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Der Protektor (German Edition)

Der Protektor (German Edition)

Titel: Der Protektor (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Czarnowske
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wieder. Sie stellt einen hohen Becher mit Deckelchen vor mich hin und lässt sich auf dem nächsten Stuhl nieder. Sie hüllt sich in das über der Lehne hängende Fell und nickt: „Trinken Sie, solange er heiß ist. Ich höre.“
    Ich klappe den Deckel des Bechers auf und frage mich, wie ich das Gespräch beginnen soll. Vielleicht am besten ohne überflüssige Vorreden.
    „Frega Norberg“, sage ich kurz, „ich habe nur eine Frage. Wollen Sie mir helfen, Doktor Ivarsson zu finden?“
    Sie dreht den Kopf herum: „Ihn zu finden? Was ist passiert?“
    „Ich hoffe nichts. Gestatten Sie mir, es Ihnen zu erklären?“
    Meine Erklärung ist albern, aber gleichzeitig auch glaubwürdig, wenn man mein bisheriges Vorgehen berücksichtigt.
    Wir müssten Doktor Bressons Versuche wiederholen, dazu fehlten uns wichtige Informationen, die uns nur Doktor Ivarsson geben könnte. Und der ist allem Anschein nach nicht weggefahren.
    „Sind Sie sicher?“, fragt Frega Norberg erstaunt.
    „Ich habe mit den Nachbarn gesprochen.“
    (Dass ich mit den Nachbarn gesprochen habe, stimmt. Falls man einen Dialog durch die geschlossene Tür mit einem halb Tauben als Gespräch bezeichnen kann.)
    Frega Norberg überlegt. Dann sagt sie: „Wenn er nicht weggefahren ist, muss es Gründe dafür geben.“
    „Gerade diese Gründe beunruhigen mich.“
    „So?“ Sie lächelt und zieht das Fell fester um ihre Schultern.
    „Ein Mann weiß immer, warum er sich verstecken muss.“
    Sie will sagen, dass eine Frau im Spiel ist. Was wohl kaum zutrifft.
    Oben geht wieder jemand. Ich hebe den Kopf nicht, horche aber unwillkürlich auf die Schritte. Sie sind sonderbar, mit Pausen dazwischen. Erst ein paar rasche Schritte, dann bleiben sie stehen, zögern und gehen weiter. Wer geht so? Und überhaupt, wer wohnt in diesem Haus?
    Frega Norberg scheint meine Gedanken gelesen zu haben: „Meine Mutter, Herr Inspecteur générale. Sie ist schrecklich neugierig, besonders, wenn ich Besuch habe.“
    „Oh, Ihre Mutter! Es wäre mir eine Ehre, ihr vorgestellt zu werden!“, sage ich ein bisschen unverfroren. Nicht, dass ich ihre Erklärung anzweifle, die Schritte erinnern tatsächlich an die Schritte eines verwirrten, unruhigen alten Menschen, aber ich würde gern auch die Mutter sehen.
    „Sie vorstellen…“ Frau Norberg lächelt ein bisschen sonderbar. „Mögen Sie Geister?“
    „Was?“
    „Gespenster“, erläutert Frau Norberg. „Schwarze Magie, wenn Ihnen das etwas sagt.“
    „Es sagt mir schon etwas, aber mein Spezialgebiet ist, wie Sie bemerkt haben werden, irdischer.“
    „Dann würden Sie bei meiner Mutter überhaupt nicht ankommen. Außerdem weiß sie nichts von Doktor Ivarsson.“
    Ihre grünen Augen schauen mich an, und die Pupillen sind ganz klein.
    „Frau Norberg“, lenke ich ein, „gestatten Sie mir, während ich meinen Grog austrinke, noch eine Frage mit Ihnen zu klären?“
    „Hauptsache, diese… Klärung ist möglich.“
    „Wann haben Sie Doktor Ivarsson zum letzten Mal gesehen?“
    Sie lächelt, aber ihre Pupillen bleiben ganz klein.
    „Oho! Also ein regelrechtes Verhör, ja? Ich habe ihn am Tag seiner Abreise gesehen.“
    „Also am Tag vor dem Unfall Doktor Bressons?“
    „Ja. Bei der Arbeit. Wir hatten ein paar Bestrahlungen von der Therapie, die liegen geblieben war, und haben sie zusammen abgeschlossen.“
    „Entschuldigen Sie, hat er Ihnen gesagt, dass er wegfahren will?“
    Hier wäre die Antwort ja oder nein. Doch Frega Norberg antwortet nicht. Sie sieht mich an, auf ihrem Gesicht zuckt der Widerschein vom Kaminfeuer.
    „Wenn Sie wissen wollen, ob wir… enger befreundet sind, kann ich Ihnen das sagen. Nein. Und sind es nie gewesen.“
    Das Gespräch droht abzugleiten. Ihre Beziehungen interessieren mich, aber jetzt ist etwas anderes wichtiger.
    „Kam es Ihnen nicht zumindest seltsam vor? An dem einen Tag arbeiten sie zusammen, am nächsten kommt er nicht?“
    „Das ist gar nicht seltsam. Doktor Ivarsson hatte schon lange von dieser Reise gesprochen, er erwähnte sogar einen Brief von seinen Eltern. Sie sind alt und krank.“
    Also hat er die Abreise vorbereitet. Die Formalitäten im Institut konnte er leicht regeln, ohne dass jemandem etwas auffiel.
    „Er ist auch früher schon ab und zu weggefahren“, fügt Frega Norberg hinzu. „Ich verstehe nicht, warum Sie das so beschäftigt.“
    Er ist auch schon früher ab und zu weggefahren. Aber da wurde nicht der Mord an Doktor Bresson vorbereitet.
    „Frau Norberg“,

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