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Der Protektor (German Edition)

Der Protektor (German Edition)

Titel: Der Protektor (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Czarnowske
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sage ich, „hat Ihnen Doktor Ivarsson nicht irgendwelches Material anvertraut? Etwas, das Sie in seiner Abwesenheit aufbewahren sollten?“
    „Er braucht mir nichts anzuvertrauen. Was da ist, das ist im Labor bei seiner Laborantin. Wo Sie übrigens schon gewesen sind. Haben Sie sonst noch Fragen?“
    Ein recht deutlicher Hinweis, dass ich es übertreibe. Außerdem hatte sie ja erwähnt, dass sie noch etwas vorhat. Oder das war nur eine diplomatische Ausrede.
    Einerlei. Ich bedanke mich für die Freundlichkeit und stehe auf. Sie erhebt sich langsam, mit wohleinstudierter Bewegung. Das dunkelkirschrote Kleid steht ihr wunderbar. Mir ist völlig klar, was Doktor Falk neulich vom Einfluss schöner Frauen gesagt hat. Bloß mich darf das nicht beeindrucken, zumindest im Augenblick nicht.
    Ich zögere, dann sage ich: „Frau Norberg, noch eine Frage: Was für einen Fehler hat Doktor Bresson bei seinen Versuchen gemacht?“
    Sie ist auf dem Weg zur Tür, um mich hinauszubegleiten. Sie gibt mir die Hand und lächelt: „Doktor Bresson hat keine Fehler gemacht.“
    Frau Norberg setzt an, um noch etwas zu sagen, als im Vorraum der elektrische Gong anschlägt. Seine weichen Töne werden von der dunklen Täfelung verschluckt.
    „Einen Moment!“ Sie langt nach der Klinke und öffnet.
    Auf dem Treppenpodest steht ihr Gehilfe, der Oberkurator Kevin. Er schaut nicht weniger überrascht drein als ich. Es vergehen zwei, drei Sekunden, bis er sich gefasst hat und grüßt.
    „Kommen Sie herein, Kevin“, fordert sie ihn auf, „Ich habe Sie schon erwartet.“
    Ich verabschiede mich und gehe. Dabei geht mir ein unsinniger Gedanke durch den Kopf: Vielleicht hätte ich auch Kevin fragen sollen, was Doktor Bresson falsch gemacht hat. Oder Frau Norberg, was sie mit Elsa Engström verbindet?
    Die nächste Idee ist schon realer. Ich steige die mittelalterlichen Stufen herunter und sage mir, dass es nicht schlecht wäre, zu sehen, wie Ivarssons Wohnung am Abend aussieht, und die Prüfung mit einem Gerät zu wiederholen. Das macht man in solchen Fällen. Das Ausbleiben oder die Veränderung des Ausschlages zeigt an, ob es sich um einen Menschen handelt.
    Das abendliche Krongatan hat, wie es scheint, nur um den Hafen herum und im Zentrum etwas zu bieten. In diesen alten Gassen ist es menschenleer. Viele alte Häuser sind wahrscheinlich auch unbewohnbar, stehen nur als Kulisse da, ein Reservat der Vergangenheit. Im blassen Licht der Straßenlampen werden schmiedeeiserne Handwerkszeichen sichtbar, Symbole ehemaliger Würde und des Wohlstands. Die Reifen über der Tür des Küfers, die drei Bronzekugeln für den Apotheker, die Schere über der Schneiderwerkstatt. Eine seltsame Welt.
    Der Weg bis Wilemstad kostet fünfzehn Minuten – ich habe schon gelernt, mich in dieser Stadt zurechtzufinden, die kreisförmig den Hügel und den Hafen umgibt. Das Haus Nummer 26 hat die abendlichen Lichter angezündet, nur in der dritten Etage rechts ist es dunkel. Über den kleinen Platz hasten verspätete Schritte, die Laternen um die Grünanlage tauchen die Ahorne in bläuliches Polarlicht.
    Ich gehe langsam an der niedrigen Steineinfassung des Parks entlang und starre vergebens auf die dunklen Fenster. Wahrscheinlich hat das Haus auch Fenster zum Innenhof, aber es wäre zu verdächtig, wenn ich versuchte, auch dort einzudringen. Besser, ich begnüge mich mit ein, zwei Gesprächen mit Leuten aus dem Haus.
    Das Vorhaben erweist sich jedoch als gar nicht so leicht. Die Haustür ist abgeschlossen. Nach meinem Klingeln aufs Geratewohl antwortet mir eine unwirsche Stimme, dass sie mit Gastarbeitern und Landstreichern nichts zu tun haben wolle. Das Türschloss ist nicht kompliziert, doch ich möchte nicht schon in der Tür den Mann in seiner Meinung über die Ausländer bestärken. Und es ist auch unnötig, denn nach einer Minute kommen ein Mann und eine Frau auf die Tür zu, offensichtlich von abendlichen Einkäufen heimkehrend, denn der Mann zieht ein Einkaufswägelchen hinter sich her.
    Ich stelle mich vor, während die beiden mich zweifelnd mustern, erkläre, dass ich ein Kollege von Doktor Ivarsson bin, aus Frankreich komme und ihn unbedingt sprechen muss.
    Anscheinend mache ich einen anständigen Eindruck, denn der Mann antwortet, wenn auch recht sparsam. Doktor Ivarsson? Ja, ich soll doch klingeln. Da ist niemand? Wahrscheinlich ist er im Krankenhaus aufgehalten worden.
    „Ob er vielleicht verreist ist?“, frage ich. „Es wäre sehr schade, wenn ich ihn

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