Der Protektor (German Edition)
fest und merke, dass sich die Waagschale zu meinen Gunsten neigt.
Gut. Wenn es um Doktor Ivarsson gehe, könne sie mich empfangen. Gegen halb neun habe sie etwas vor, aber bis dahin könne sie ein wenig Zeit für mich erübrigen. In einer halben Stunde. Auf Wiederhören.
Ich lege den Hörer auf und begegne dem halb verwunderten, halb verschwörerischen Blick Hedlunds, der kaum merklich in sein Musketierbärtchen grinst. Meine einminütige Verwandlung ist bemerkt und nach Gebühr gewürdigt worden. Aber mir ist es, ich weiß nicht recht warum, ein bisschen peinlich. Als hätte ich es wirklich darauf angelegt, Frau Norberg zu gefallen. Wenn ich ehrlich sein soll, sie ist mir nicht unangenehm. Und überhaupt, was ist schon dabei! Welchem Mann würde die Gesellschaft einer schönen Frau nicht gefallen!
Aber Ivarsson! Ivarsson ist verschwunden! Jetzt geht mir auch auf, was ich gestern oder schon vorgestern Abend für einen Fehler gemacht habe, als Doktor Falk erwähnte, dass er weggefahren sei. Diesen Umstand habe ich unterstützt. Ich hätte ihm sofort nachsetzen müssen. Aber ich bin wie der letzte Tölpel hinter Phantomen hergejagt. Jetzt ist Hugo Ivarsson bereits ein richtiges Phantom!
Ich unterdrücke einen ärgerlichen Seufzer und stehe auf. Große Vorwürfe kann ich mir auch nicht machen – ich habe den Mord nach allen Regeln untersucht. Und stehe nicht mit leeren Hände da. Ich war nur im ersten Moment nicht vorausschauend genug.
Also Helmersgatan 15.
Es ist eine Straße in der Altstadt. Sie beginnt unten im Hafen, steigt hügelauf und windet sich zwischen Torbögen und Fassaden hindurch. Stellenweise verliert sich die Straße, geht in Treppen über, auf die das gelbliche Licht der Straßenlaternen fällt. Die meisten der mittelalterlichen Häuser sind bewohnt, erleuchtete Fenster, unsichtbare Leute unterhalten sich. Es riecht stark nach Harz von geschnittenem Holz.
Ich gehe über die von Tausenden Schritten glattgetretenen Platten und suche die Hausnummer.
An der Tür der 15 ist kein Schild, nur ein Ring mit einem grün gewordenen Kupferhämmerchen. Ich schlage vorsichtig damit an, und drinnen ertönt melodisch ein elektrischer Gong. Das Mittelalter wird modernisiert, wie man sieht.
Schritte kommen herunter, über der Tür leuchtet eine Lampe auf. Es vergehen zehn Sekunden, in denen Frau Norberg sich wahrscheinlich vergewissert, dass ich es bin. Dann geht die Tür auf. Sie ist es, und unwillkürlich stelle ich bei mir fest, mit welcher Sicherheit solche Frauen ihre Schönheit zu unterstreichen verstehen. Das dunkelkirschrote Kleid hebt die blonden Haare hervor. Kein bisschen Schminke. In dieser Beleuchtung haben ihre Augen gleichsam die Farbe verändert, jetzt sind sie satt grün.
„Treten Sie näher, Herr Inspecteur générale!“ Sie tritt zurück und öffnet die Tür weiter.
Diese Betonung des dienstlichen Charakters meines Besuches behagt mir nicht so recht, die Distanz ist wohlberechnet.
Aber was will ich denn? Doch nicht etwa, dass ich außerdienstlich herkomme?
Von außen ist das Haus altertümlich, und die steinerne Fassade verheißt nichts Gutes, doch innen ist es unerwartet behaglich und warm. Unten ist eine geräumige Diele mit Holzstützen, an der Decke hängt eine Petroleumlampe mit altertümlichem Schirm. Die Stühle sind aus dunklem Holz, grob und mit Fellen belegt. Eine mächtige Kommode mit geschnitzten Türen und ein Kamin mit schmiedeeisernem Gitter vervollständigen die Einrichtung. Das weiche Licht der Glut kriecht über die Felle.
Eine Geste zu einem der Stühle.
„Bitte! Wein, Whisky – oder dürfen Sie nicht?“
„Ich möchte Ihnen keine Umstände machen!“ Und mir ist jetzt tatsächlich weder nach Wein noch nach Whisky zumute.
„Also Grog?“, schlussfolgert Frega Norberg auf merkwürdige Weise.
Sie verschwindet durch eine Tür im Hintergrund, und ich möchte aus berufsmäßiger Gewohnheit wissen, wo ich mich befinde.
Diese Diele hat ihren Besitzer geraume Zeit gedient. Dann kamen neue Generationen, und sie wurde umgebaut. Sie wurde erweitert, von der alten Diele sind die Stützen übrig geblieben. Zur oberen Etage wurde eine Treppe aus rötlichen Ziegeln und Holz gebaut. Der frühere kalte Steinfußboden hat einen Belag. Die alte Täfelung ist nur zur Zierde belassen worden.
Oben bewegt sich jemand. Leise, vorsichtige Schritte, von denen die Holzdecke kaum knarrt. Sie gehen über mich hinweg, verhalten, gehen weiter und verlieren sich.
Frega Norberg kommt
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