Der Protektor (German Edition)
„Entweder, dass Sie sich alles aus den Fingern gesogen haben, oder dass Ihnen die Ermordung Oskar Matsons Angst macht, ja? Geben Sie’s zu, es ist ja keine Schande.“
Lundgren starrt in mein ärgerliches Gesicht, dann hebt er das Glas. Er trinkt es in großen Schlucken aus und stellt es auf das Tischchen.
„Ja. Mir ist meine Haut am nächsten.“
„Mir meine auch“, versichere ich ihm. „Nur dass sich für diese Recherchen einer meiner Freunde interessiert hat.
Seine Lieblingsbeschäftigung ist die Aufdeckung des Weges, den das Heroin von Hamburg hierher nimmt. Und schade um Oscar Matson.“
Schwarzer Humor ist jetzt offenbar nicht nach Lundgrens Geschmack. Er lehnt sich im Sessel zurück, nimmt das Glas und hält es in beiden Händen.
„Ich weiß… deshalb.“
„Was deshalb?“
„Eben deshalb hat Ihr Freund einen anderen seiner Freunde hierher geschickt, um meinen Schreibtisch zu durchwühlen“, knurrt Lundgren.
Jetzt ist die Reihe an mir, in sein längliches Gesicht zu starren. Es war jemand hier? Wegen seines Materials? Es kommt mir unwahrscheinlich vor, dass Matsons Mörder ein Risiko für etwas eingehen, das sie auch ohne Lundgren wissen.
„Hören Sie“, sage ich. „Mir sind Ihre Bräuche hier nicht bekannt, aber meine Freunde dringen nicht in Abwesenheit der Eigentümer in Wohnungen ein.“
„So?“ Ludgren grinst bissig. „Nicht zu fassen, Sie sind Atheist und verlangen, dass ich an Geister glaube.“
Ich hebe die Schultern, kann ihn nicht überzeugen.
„Es tut mir leid“, sage ich und schaue auf meine Uhr. „Ich habe nicht viel Zeit, ansonsten ist das Gespräch mit Ihnen interessant. Sie wollen also meinen Freunden nicht helfen?“
Lundgrens von den Lupen vergrößerte Augen sehen mich ernst und fest an.
„Ich kann es nicht“, sagt er. „Habe alles verbrannt und will mich nicht weiter mit dieser Sache beschäftigen. Hab mir’s überlegt. Es gibt ungefährlichere Möglichkeiten meine hundert Zeilen zusammenzukriegen.“
Ich stehe mit einem unterdrückten Seufzer auf, der recht gekonnt heraus kommt.
„Wo hat man übrigens“, sage ich, „bei Ihnen gewühlt? Das ist lediglich berufliche Neugier.“
Lundgren steht auf und deutet mit den Augen auf den Schreibtisch. „Wo? Dort natürlich. Es ist mir sofort aufgefallen, meine Putzfrau wagt nicht, den Schreibtisch anzufassen.“
Ich mache ein paar Schritte auf den Schreibtisch zu, schaue dann wieder auf die Uhr.
„Nun“, sage ich, „für mich wird’s Zeit. Ich möchte mich von Ihnen verabschieden. Morgen früh fliege ich ab. Wenn Sie nächstes Jahr nach Paris kommen, melden Sie sich unbedingt bei mir.“
„Das werde ich tun!“, pflichtet Lundgren bei. Seine gute Laune kehrt rasch wieder, nachdem ich nicht auf der Herausgabe des Materials bestanden habe. „Was sagen Sie da? Sie reisen ab?“
„Ja, morgen früh.“
Lundgren runzelt die Brauen, versucht sich an etwas zu erinnern.
„Also haben Sie gefunden, was verschwunden war? Ja?“
„Ja. Es hat sich gezeigt, wissen Sie…“Ich lasse den Satz unvollendet und lächle. „Das ist übrigens schon Berufsgeheimnis! Darüber kann ich nicht reden, sosehr ich möchte, dass Sie Ihre hundert Zeilen schreiben können.“
„Wieso? Geht es nicht irgendwie… ohne Einzelheiten?“
„Nein“, erkläre ich kurz. „Es ist auch allzu speziell. Und nun auf Wiedersehen!“
Auf Wiedersehen, Herr Kommissar.“
Er bringt mich zur Tür, und auf der Straße nimmt mich der Regen wieder in Empfang. Aber ich spüre den nassen Trenchcoat auf den Schultern gar nicht mehr, so hat mich die Erregung über den Schachzug gepackt, den ich eben gemacht habe. Ein Zug, den ich anders beabsichtigt habe, aber das Schicksal hat Lundgren über meinen Weg gelenkt mit seinen Amateurrecherchen über die Drogenkanäle und den Köder, den er veröffentlicht hat: Das Interview mit mir hat Wirkung gezeigt. Der andere hat sofort in Lundgrens Wohnung Wanzen installiert. Deshalb haben Sie in seinem Schreibtisch herumgewühlt, und obendrein ziemlich schludrig.
Sie kommen, rücken mir immer näher. Und jetzt erhalten sie meine Lockspeise serviert, zusammen mit einer unangenehmen Überraschung: der Inspecteur générale ist ihnen zuvor gekommen. Was er gesucht hat, ist schon in seinen Händen, und morgen früh ist es für immer futsch.
Auf dem nassen Trottoir stehen Pfützen, aber der Regen hat anscheinend nachgelassen. Oder es kommt mir nur so vor, weil die Straßen jetzt belebter sind. Es ist
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