Der Puppen-Galgen
ich…«
»Doch! Denn ich kann Liebender und Henker zugleich sein, das solltest du nicht vergessen. Wer sich gegen mich stellt, wird den Tod erleiden. Für ihn habe ich den Galgen gebaut. Ich werde ihn bald vergrößern. Er wird immer ein Puppengalgen bleiben, aber er wird groß genug sein, um auch Menschen zu fassen. Mein großer Plan wird sich erfüllen. Denke daran, daß ich dir diese Jane Collins zugeführt habe. Sie arbeitet für dich, sie achtet auf deine Puppen, die unter meiner Kontrolle stehen, was sie nicht weiß. Sie wird wohl erkannt haben, daß die Puppen anders sind. Es gibt genug Hinweise darauf, aber es wird für sie schwer werden, die richtigen Schlußfolgerungen zu ziehen. Wenn du zurückkehrst, wirst du so aussehen wie jetzt, aber du wirst trotzdem eine andere Person sein, das verspreche ich dir. Und du wirst eine Jane Collins mit anderen Augen anschauen. Dein Blick wird nicht nur auf ihr Äußeres fallen, sondern auch auf das, was in ihr tobt.«
»Das Blut…«
»Sehr gut, meine Liebe. Du hast schon viel gelernt. Sie wird dein erstes Opfer sein. Anschließend lasse ich dir freie Bahn, denn der Eröffnung des Theaters darf nichts im Wege stehen. Du wirst ein besonderes Stück spielen mit einem ebenfalls besonderen Titel, den ich mir ausgedacht habe. Der Puppengalgen…«
»Ich soll sie hängen?«
»Dein Stück wird die Menschen schocken. Sie werden sich fürchten, aber sie werden trotzdem dieses Theater des Grauens besuchen. Das kann ich dir versprechen.«
Melles Blick verschwamm. »Ich möchte aber nicht gehängt werden…«
»Keine Sorge, das wird nicht geschehen. Man wird dich nicht hängen, solange du mir deine Dankbarkeit erweist. Das neue Leben ist nur mehr so weit von dir entfernt wie die Distanz zwischen unseren Lippen.«
»Ja…«, sagte Irielle nur.
Sie hatte gut gehört. Sie hatte auch alles behalten und gespeichert. Die Worte des Vampirs hatten sie überzeugt, und beinahe freute sie sich auf das neue Dasein.
Der Blutsauger bewegte seinen Kopf nach vorn. »Ich bin Dracula II«, flüsterte er. »Ich bin es, der immer und ewig leben wird, darauf kannst du dich verlassen.«
Irielle Fenton erwiderte nichts. Sie schaute nur zu, wie sich das Gesicht des Blutsaugers dem ihren näherte, und sie spürte den leichten Druck, der ihren Kopf nach rechts brachte, so daß sich die Haut an der linken Halsseite straffte und die Adern dort hervortraten. Die Hände hatten die Wangen losgelassen. Finger krallten sich in Irielles Haar fest, um den Kopf in der Richtung zu halten. Die andere Hand umfaßte ihren Körper an der Rückseite. Er beugte sich nach hinten.
Sie hielt die Augen offen. Sie wehrte sich nicht. Irielle war schwach geworden, und sie wartete auf den Eintritt in ihr neues Leben. Der andere sollte ihr die Tür öffnen.
Sein Gesicht war so nah. Das rote D auf der Stirn sah sie überdeutlich.
Es zuckte an den Rändern, als hätte sie in diesen Buchstaben eine gewisse Nervosität übertragen.
Der Vampir öffnete den Mund.
Es geschah langsam, sehr langsam. Die Lippen zog er auseinander, und Melle sah das Schimmern seiner Zähne, aber auch die beiden besonderen, die ihn zu einem Vampir machten.
Sie ragten aus dem Oberkiefer, waren spitz und dabei leicht gekrümmt.
Die Oberlippe hatte er zurückgezogen. Die Frau sah nur die beiden langen Zähne, und für sie war plötzlich eine Legende Wirklichkeit geworden.
Es gab sie doch.
Es gab diese Blutsauger!
Sie waren da.
Sie befanden sich unter den Menschen. Sie gingen dort herum. Sie wollten Blut, und sie bekamen es auch. Sie waren keine Phantasiegestalten aus der Literatur, dem Aberglauben oder den unheimlichen Mythen der Völker.
Viel war über die erotische Ausstrahlung geschrieben worden, die von den Vampiren ausging. So etwas hatte sie nie richtig glauben wollen und einsortieren können. Jetzt sah alles anders aus.
Melle schloß die Augen. Sie gab sich dem Blutsauger hin. Sie sah auch nicht, wie er den Kopf noch tiefer senkte und sich die Zähne ihrer straff gespannten Halshaut näherten, unter der sich die Adern abzeichneten.
Darin floß der Saft, das köstliche Blut.
In Mallmann erwachte die Gier. Seine dunklen Augen nahmen einen noch anderen Glanz an. In ihnen blitzte es, und dann zuckte sein aufgerissenes Maul vor.
Melle Fenton spürte die kalten Totenlippen auf ihrer natürlich warmen Haut. Es war nur ein kurzer Druck, nicht mehr, denn dann biß der andere zu.
Die Frau spürte noch die Berührung der Zähne, die beiden
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