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Der Puppenfänger (German Edition)

Der Puppenfänger (German Edition)

Titel: Der Puppenfänger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joana Brouwer
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setzte sich zurück an den Esstisch. »Ich werde mich morgen von Tante Martha verabschieden und mittags zurück nach Osnabrück fahren.«
    »Aber … du hast mir versprochen, Simone zu helfen und … Was willst du bei Tante Martha?«, stotterte Beate.
    »Ich werde von zu Hause aus weiterarbeiten. Hier kann ich nichts mehr ausrichten.« Sie wandte sich an Simone. »Falls du am Sonntag noch kein Lebenszeichen von deinem Mann hast, wendest du dich noch einmal an die Polizei.«
    »Er ist tot. Das fühle ich.«
    »Tot!«, echote Heide. »Du fühlst, dass er tot ist. Wie fühlt es sich an, zu wissen, dass der Mann, der einen verdrischt, nicht mehr lebt?«
    »Gerald hat mich noch nie geschlagen. Er liebt mich«, murmelte Simone.
    Heide stand auf, stellte sich hinter Simone, fasste deren Pullover am Taillenbund und zog ihn so weit hoch, dass die Blutergüsse zu sehen waren. »Gib dir keine Mühe. Ich habe bereits zu viele Frauen kennengelernt, die von ihrem Ehemann verprügelt wurden. Die blauen Flecken habe ich zufällig gesehen, als du für deine Kinder die Bettchen im Wohnzimmer hergerichtet hast. Du hast dich gebückt, und dabei ist dein Oberteil verrutscht.«
    Während ihrer beruflichen Tätigkeit duldete Heide weder Halbwahrheiten noch das Verdrehen von Tatsachen. Lügen, ganz gleich aus welchem Grund sie vorgebracht wurden, vereitelten ihre Arbeit, zögerten den Erfolg hinaus oder verhinderten ihn sogar. Auch von Simone wollte sie sich nicht in die Irre führen lassen. Dass ihr betont unschuldig dreinblickendes Gegenüber genau dieses versuchte, fühlte sie ganz deutlich. Sie erhob sich, lächelte und wandte sich an Beate. »Den Tisch räumt ihr bitte allein ab. Ich bin müde und werde jetzt schlafen.«
    *
    Da ihre Gastgeberin nur das Erdgeschoss bewohnte, hatte Heide sich im Obergeschoss eines von drei leerstehenden Zimmern aussuchen dürfen. Sie hatte sich, ohne großartig darüber nachzudenken, für Beates Jugendzimmer entschieden. Jetzt stand sie in dem ungemütlichen Raum, sah sich unschlüssig um und wünschte sich weit fort. Sie griff nach der Bettwäsche, die ihre Bekannte auf einen braungestrichenen Holzstuhl gelegt hatte, und begann, ein altmodisches, dickes Federbett in einen Bezug zu pfropfen, der ihr viel zu eng für die unförmige Decke erschien. Ehe sie sich das Kopfkissen vornehmen konnte, hörte sie Beates Stimme. Sie ging zum Fenster und blickte auf die Einfahrt. Die beiden Schwestern eilten fast fluchtartig zu Simones Auto, dem roten Audi, den Heide bereits in Schöllens Garageneinfahrt gesehen hatte. Jede hielt ein Kind, eingewickelt in eine Decke, auf dem Arm. Nachdem ihre Töchter im Auto saßen, umarmte Simone Beate flüchtig. Wenig später ließ sie den Audi rückwärts über die Ausfahrt rollen.
    Heide wollte ihren Fensterplatz gerade verlassen, als sie bemerkte, dass Beate nicht zur Haustür ging, sondern zum Fahrradschuppen lief, ihn betrat, einen Moment später ein Fahrrad hinausschob und das hellbeleuchtete Grundstück verließ. Erst als die Bewegungsmelder sich ausgeschaltet hatten und der Garten in völliger Finsternis lag, zog Heide den Vorhang vor und schaltete im Zimmer das Licht an.
    Nachdem auch das aufgeblähte Kopfkissen ein rot-weißes Kleid bekommen hatte, versuchte sie einige Male erfolglos, Dieter auf seinem Handy zu erreichen. Sie sprach auf die Mailbox und bat um einen baldigen Rückruf. Bei Alexander hatte sie mehr Glück. Er nahm ihren Anruf so schnell entgegen, dass man meinen konnte, er habe nur darauf gewartet. Am Klang seiner Stimme bemerkte sie gleich, dass ihn irgendetwas bekümmerte. Sie verkniff sich die Frage nach seinem Wohlbefinden und beschloss, das Gespräch kurz zu halten und seine Gemütslage, so weit wie eben möglich, zu ignorieren. Alexander hatte schon während ihres Zusammenlebens durchaus zur Schwermut geneigt. Trotzdem war er – bis zu dem Moment, in dem sie erfahren hatte, dass er sie auf die hinterhältigste Weise betrog – ihr Fels in der Brandung gewesen, ihr Mann fürs Leben, zuverlässig, stets präsent, immer hilfsbereit.
    »Ich danke dir für den Blumenstrauß, Alex«, begrüßte sie ihn artig und betont fröhlich, konnte es sich allerdings nicht verkneifen hinzuzufügen: »Allerdings wundere ich mich ein wenig, dass dir dieses Datum noch immer gegenwärtig ist.«
    »Wie könnte ich den Tag, an dem wir uns kennengelernt haben, jemals vergessen«, erwiderte ihr Ex, in einer Tonlage, die früher ihr Herz zum Schmelzen gebracht hätte. Heide

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