Der Puppenfänger (German Edition)
atmete tief durch, schloss die Augen und zählte bis zehn, um wieder ruhiger zu werden. Ganz sachte, aber beständig hatte sich, während er ihr durchs Telefon schöntat, der altbekannte Groll über seinen Verrat zurückgemeldet. »Ich bin sprachlos …«, murmelte sie und presste sofort die Lippen aufeinander, damit ihnen kein weiteres Wort entwich. Wollte sie vermeiden, dass die Erbitterung sie Sätze sagen ließ, die sie spätestens morgen bedauern würde, musste sie ihr Temperament zügeln. Sie zählte ein zweites Mal bis zehn, ehe sie bemüht gelassen sagte: »Ich nehme an, dass zwei Menschen ein und derselben Situation durchaus unterschiedliche Bedeutung zumessen können. Für mich war der Tag, an dem wir uns das erste Mal sahen, nicht besonders wichtig.« Damals war sie noch mit Dieter zusammen gewesen. Erst Wochen später hatte sie sich von ihm getrennt.
»Es gibt Begebenheiten, die sich auf ewig einprägen, Heide. Dazu gehört für mich unser Ken-nen-lern-Tag .«
»Es gibt tatsächlich Begebenheiten, die sich auf ewig einprägen«, wiederholte sie bissig, mit der Betonung auf den Wörtern tatsächlich und ewig . Währenddessen führte sie sich die beschämende, erniedrigende Situation seines Verrates vor Augen. Sah ihr Schlafzimmer, das Bett im Dämmerlicht, Alexanders überraschtes, entgeistertes Gesicht, seine Hände auf Patricias milchig weißer Haut, Patricias Brüste und ihre langen Beine, die sich wie Tentakel um seinen Körper gelegt hatten.
»Du wolltest mir damals nicht verzeihen, und du willst es auch heute nicht!«, resümierte er.
»Ich möchte mit dir über Beate Buttenstett sprechen und nicht über unsere Vergangenheit«, wich Heide aus und kam zum eigentlichen Grund des Anrufs. Sie fragte ihn, ob ihm die Namen Schöllen und Laxhoff ein Begriff seien, und erhielt den überflüssigen Ratschlag, Helen in den Presseberichten der neunziger, möglicherweise auch der achtziger Jahre nach den Initialen G. L. suchen zu lassen. Heide schenkte sich die flapsige Bemerkung, sie könne auf derlei Belehrungen verzichten, da Helen das für gewöhnlich zuerst in Angriff nahm. Sie beschloss, das unerfreuliche Gespräch schleunigst zu beenden.
»Bis bald, Alexander.«
»Ich würde dich gerne treffen, Heide«, bat Alexander in einem weichen Ton, den sie nur zu gut kannte und dem sie früher gerne nachgegeben hatte.
»Ich bin in den nächsten Tagen sehr beschäftigt«, ergriff sie die Flucht und betete insgeheim, dass er endlich begriff. Auf gar keinen Fall wollte sie ihn wiedersehen.
»Patricia und ich werden uns trennen.«
»Oh!«, entfuhr es Heide. »Das tut mir leid!«
»Unsere Ehe ist gescheitert. Wir befinden uns momentan … wie sagt man? Wir befinden uns in einem Rosenkrieg.«
»Tatsächlich?«
»Ich hätte gerne persönlich mit dir gesprochen, Heide. Ich brauche deinen Rat.«
»Ich kann dir nicht helfen«, erwiderte sie und fügte im Stillen hinzu: Und ich will dir nicht helfen. Schlagt euch nur die Köpfe ein. Ihr habt es beide verdient! Wer hat mir beigestanden, nachdem ich dich und deine Patricia aus meinem Schlafzimmer verscheucht hatte?
»Der Streitpunkt zwischen uns betrifft ihre Zwillingstöchter«, führte Alexander weiter aus.
»Es sind ihre Töchter und nicht deine«, entfuhr es Heide kühl.
»Ich habe die Mädchen adoptiert. Trotzdem beansprucht Patricia das alleinige Sorgerecht.« Alexander klang weinerlich.
»Wie gesagt, Alex. Ich kann dir nicht helfen. Du musst dieses Problem mit Patricia klären. Ich bin sehr müde und würde jetzt gerne schlafen.«
»Sie verlangt, dass ich weiterhin Unterhalt für die Kinder zahle. Bist du nicht auch der Ansicht, dass mir in diesem Fall ein gemeinsames Sorgerecht zusteht?«
»Falls du dieses Problem nicht mit Patricia besprechen kannst, solltest du dich darüber mit einem Fachanwalt austauschen. Ich bin der falsche Ansprechpartner«, wehrte sie energisch ab.
»Hast du nie bedauert, dass du uns damals keine zweite Chance gegeben hast? Unsere Beziehung wäre es wert gewesen«, fragte Alexander wehleidig.
Heides Zorn, der fast in Mitleid umgeschlagen war, kehrte zurück. »Ich musste uns keine zweite Chance geben, mein Lieber. Nicht ich bin fremdgegangen, du bist derjenige gewesen, der unsere Beziehung aufs Spiel gesetzt hat. Und zu dir, Alex, habe ich kein Vertrauen mehr, werde es niemals wieder haben.«
»Ich möchte, dass wir einmal in Ruhe miteinander reden, Heide. Ich denke, es ist …«
»Gute Nacht, Alex!«, schnitt sie ihm das
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