Der Puppenfänger (German Edition)
gefasst wurde.«
Wanners Gesichtszüge erstarrten. »Den exakten Zeitpunkt kann ich Ihnen leider nicht nennen. Simone und ich haben uns oft darüber unterhalten und die Vor- und Nachteile eines Auslandsaufenthaltes gegeneinander abgewogen.«
»Ein langfristiger Aufenthalt im Ausland, vor allen Dingen mit Kindern, erfordert sicherlich intensive Planung und eine längere Zeit der Vorbereitung.«
»Ja, das ist richtig.«
»Was bringt Sie dazu anzunehmen, dass Gerald Schöllen aus freien Stücken untergetaucht ist?«
»Ich habe es sofort geahnt, und seitdem ich von Simone weiß, dass Schöllens Halbbruder ermordet aufgefunden wurde, bin ich mir sogar sicher. Schöllen ist kriminell! Ein Gangster! Deswegen bitte ich Sie, finden Sie ihn und sperren Sie ihn ein. Ich habe einen Arbeitsvertrag unterschrieben. Ich möchte Simone unter keinen Umständen allein mit ihren Töchtern in Deutschland zurücklassen. Ich befinde mich jetzt in einer verzwickten Situation, denn ich muss eine hohe Strafe zahlen, falls ich meinen Vertrag nicht einhalte.« Richard nahm die Hände aus den Hosentaschen, verschränkte die Arme vor der Brust und fragte: »Sie möchten tatsächlich nichts trinken? Vielleicht Wasser oder Saft?«
»Nein danke«, erwiderte Michel, während Dieter lediglich schweigend den Kopf schüttelte.
»Entschuldigen Sie mich bitte. Stört es Sie, wenn ich mir jetzt gleich einen Morgenkaffee aufgieße?«, wollte Wanner wissen. Ohne die Antwort auf seine Frage abzuwarten, ging er in eine dem Wohnraum angegliederte Küche. Dort hörten Dieter und Michel ihn eine Weile hantieren, ehe er mit dem Becher in beiden Händen erneut seinen Platz vor dem Bücherregal einnahm.
»Sie gehen davon aus, dass Gerald Schöllen uns lediglich glauben lassen will, er sei entführt worden?«, fragte Michel.
»Nicht nur das«, erwiderte Wanner. »Ich bin mir fast sicher, dass Schöllen an dem Tod seines Halbbruders zumindest mitschuldig ist und dass er deswegen abgetaucht ist oder – besser formuliert – sich auf der Flucht befindet.«
»Würden Sie uns bitte erklären, was Sie annehmen lässt, Gerald Schöllen könne schuldig am Tod seines Bruders sein?«, setzte Michel nach.
Richard stellte mit versteinerter Miene den Kaffeebecher zur Seite, ballte beide Hände zu Fäusten, blickte erst Michel, danach Dieter an und erwiderte kühl: »Schöllen ist ein Schwein. Er kennt weder Anstand noch Moral. Am vorletzten Sonntag hat er Simone festgehalten und geschlagen. Übrigens nicht das erste Mal. Bevor er sie vergewaltigen konnte, ist es ihr gelungen, sich und die Kinder in Sicherheit zu bringen.«
»Es ist Ihnen bestimmt nicht leichtgefallen, zu wissen, dass die Frau, die Sie lieben, von ihrem Mann misshandelt wird. Warum sind Sie nicht aktiv geworden?«, fragte Dieter kopfschüttelnd und fügte hinzu: »Es fällt mir schwer, zu glauben, dass Sie tatenlos zugeschaut haben.«
»Sehen Sie sich meine Hände an«, sagte Wanner und streckte Dieter beide Handflächen demonstrativ entgegen. »Hundert Mal habe ich überlegt, ob ich ihm damit an die Kehle gehe, ihn töte oder zumindest verprügele. Aber ich bin nicht der Mensch, der auf diese Weise Probleme löst. Obwohl ich es gerne getan hätte, als Simone mir von diesen Vorfällen erzählte. Allein schon, um ihr und ihren Kindern die Möglichkeit zu verschaffen, in Frieden zu leben.«
Wanner nahm seinen Kaffeebecher, trank daraus und murmelte: »Ich verstehe diese Sorte Mann nicht. Ich kann einfach nicht begreifen, wie sie ticken. Für die Gesundheit meiner Frau hätte ich alles gegeben. Und Schöllen? Er tritt das, was für andere Menschen ein großes Geschenk ist, mit Füßen.«
»Wir sind bisher davon ausgegangen, dass Ihre Frau und Ihre Töchter bei einem Verkehrsunfall ums Leben kamen«, bekannte Haila bedrückt.
»Ja, das ist richtig. Sie starben in Christinas Auto. Meine Frau war mit den Kindern im Schwimmbad gewesen. Es ging ihr gut. Sie nahm keine Medikamente mehr, durfte wieder Auto fahren. Wir hofften, dass sie ihre Krankheit ein für alle Male hinter sich gebracht hätte.«
»An welcher Krankheit litt Ihre Frau?«, fragte Dieter.
»Eine psychogene Depression. Sie brach kurz nach der Geburt unserer Zwillingstöchter aus. Letztendlich hat nicht diese entsetzliche Krankheit meine Frau besiegt, sondern eine leichte Linkskurve auf einer ansonsten schnurgeraden Straße, von Lähden nach Holte.«
Michel war hellhörig geworden. »Wurde die Ursache des Unfalls nicht
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