Der Purpurkaiser
Brimstone überhaupt nichts dagegen, wenn sie ohne ihn machten, was immer sie mit New York vorhatten.
»Quitt?«, wiederholte Beleth und seine Stimme hallte von den Kirchenwänden wieder. Er lächelte. »Nicht ganz, Brimstone. Nicht ganz.«
Fünfundachtzig
S ie brachten Chalkhill zu der schwebenden Plattform hinauf, wo er sich dem schrecklichsten Anblick seines Lebens stellen musste. Beruhigend immerhin, dass alles sauber war. Die metallischen Oberflächen blitzten, der Boden war offensichtlich erst kürzlich gebohnert worden und auf den Operationstischen lagen frische Tücher.
Es waren zwei nebeneinander stehende Tische. Auf dem einen lag festgebunden Apatura Iris, der Purpurkaiser. Er war nackt. Er starrte an die Decke, und obwohl sein deformiertes Gesicht schlaff und ausdruckslos war, bezweifelte Chalkhill irgendwie, dass er unter dem Einfluss eines Betäubungszaubers stand. Aber Hairstreak würde sicher noch einen benutzen. Er brauchte ja einen Kaiser, der nach der Operation so rasch wie möglich wieder fit war.
Zwischen den beiden Operationstischen stand ein dunkelhäutiger Mann im Lendenschurz eines Schamanen. Seine Augen waren so schwarz, dass man unmöglich sagen konnte, ob es sich um einen Nachtelfen oder einen exotischen Lichtler handelte. Seine Hände waren sehr groß und sehr kräftig.
»Das ist Mountain Clouded Yellow«, stellte Hairstreak ihn vor. »Unser Schamane.«
»Sehr erfreut, Sie kennen zu lernen«, sagte Chalkhill wenig begeistert.
Das Beängstigende, wurde Chalkhill klar, als er auf den OP-Tisch stieg, war die Ausstattung. Der ganze Raum war voll davon, und kein einziges Gerät sah angenehm aus. Er erkannte einen automatischen Tacker, mit dem sich Wunden schließen ließen, und eine mit Gewichten beschwerte Schnappklinge, mit der sich alles amputieren ließ, was durch die einstellbare Öffnung gesteckt wurde. Hinter den Glastüren einer Vitrine lagen alle möglichen Körperteile – Hände, Füße, Zehen, Finger, Ohren und bestürzenderweise eine riesige Zahl von farblich sortierten Augäpfeln.
»Ich hoffe, das ist alles für dich bestimmt«, flüsterte Cyril gehässig in seinem Kopf.
Chalkhill ging nicht darauf ein. Sie hatten ihm die Kleider abgenommen und er fror bis auf die Knochen, als er sich auf dem Tisch ausstreckte. Schamanen mussten natürlich gar nicht so viel Werkzeug benutzen. Die richtig Guten schoben einem einfach die Hände in den Körper, um einem an den Organen herumzufummeln. Es klang zum Fürchten und er hatte irgendwo in einer Zeitschrift gelesen, dass es siebzehnmal mehr wehtat, als wenn einem die Hoden in einem Schraubstock zerquetscht wurden – außer wenn man einen Betäubungszauber erhielt.
Er legte sich zurecht. Am liebsten wäre es ihm gewesen, wenn sie ihn mit irgendetwas zugedeckt hätten, mit einer richtig dicken Decke am besten. Bestimmt steckte Mountain Clouded Yellow gleich seine Hand in ihn hinein und wühlte in seinen Eingeweiden, bis er Cyril gefunden hatte. Dann würde er den Wurm wohl herausreißen und ihn dem Purpurkaiser direkt in den Bauch schieben.
Chalkhill bereute seine Überlegungen sofort. Ihm war auf einmal so übel, dass sein Magen zu pulsieren begann. Verschlimmernd kam hinzu, dass dem Wangaramas ebenfalls übel war, was sich für Chalkhill so anfühlte, als ob ihm ein kleiner Hund ins Gehirn kotzte.
Chalkhill schloss die Augen und betete, dass Hairstreak kein doppeltes Spiel mit ihm trieb, betete trotz aller Angst, dass es gleich losging, damit er es schneller hinter sich hatte, betete –
»Wir warten nur noch auf den Anästhesiezauberer«, sagte Hairstreak vergnügt.
Ein ältlicher Zauberer kam in den OP geschlurft und sah sich unsicher um.
»Ah, Colias«, sagte Hairstreak. »Wie schön, dass Sie es einrichten konnten.«
Ein panischer Ausdruck huschte über Colias’ Gesicht. »Verzeiht, Euer Lordschaft – ich hatte vergessen, an welchem Tag es sein sollte.« Er rang sich ein Lächeln ab, hinter dem reichlich verfaulte Zähne zum Vorschein kamen, und fuchtelte mit einer zittrigen Hand herum. »Aber nun bin ich so weit, Euer Lord… äh… Euer Lord… äh… Euer Lord…«
»-schaft«, half Hairstreak nach.
»Schaft«, sagte Colias. »Ich bin so weit, Euer Schaft. Ja, ja, das bin ich.«
»Dies ist Ihr Anästhesist, Jasper«, sagte Hairstreak.
Chalkhill starrte das wandelnde Wrack entsetzt an. Die Augen des Mannes tränten dermaßen, dass er wohl kaum etwas sehen konnte. Ihm hing ein Tropfen an der Nase,
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