Der Purpurkaiser
würden Sie scheitern. Und wo stünden wir dann?«
Ich wäre tot, dachte Chalkhill. Und du würdest Hairstreak zu erklären versuchen, warum du es nicht geschafft hast, mich in Form zu bringen. Der Larvenmeister war in seine Mission eingeweiht, als einer von nur vieren, wenn Chalkhill es richtig mitbekommen hatte. Die übrigen drei waren Chalkhill selbst, Lord Hairstreak und der Zauberer, der den Illusionszauber vornehmen sollte – ein bei den Halek in die Lehre gegangener Trottel namens Puderow, Plumduff, Psodos… oder so. Allen anderen, die mit der Krönungsfeier zu tun hatten, war erzählt worden, dass Hairstreak persönlich daran teilnehmen würde. Niemand konnte auch nur ahnen, dass Chalkhill seinen Platz einnehmen würde. Vorausgesetzt, er kam je über die Grundlagen hinaus.
Wenn er nicht über die Grundlagen hinauskam, würde Hairstreak ihn natürlich ermorden lassen. Zweifelsohne auf langsame, qualvolle Weise.
»Ich weiß gar nicht, wozu das alles nötig sein soll«, sagte er ungehalten. »Der Illusionszauber wird mich genau wie Seine Lordschaft aussehen lassen.«
»Ja, das wird er, Mr Chalkhill, aber wenn Sie sich nicht auch wie Seine Lordschaft bewegen können, wird das nicht viel nützen, und darum arbeiten wir daran. Ihnen ist doch wohl klar, was das Problem ist? Ihre Körpermasse.«
»Meine Körpermasse?« Chalkhill war entsetzt. Sicher, er war ein bisschen übergewichtig, vielleicht sogar übergewichtig genug, dass man ihn füllig nennen konnte, aber dass ihn jemand allen Ernstes als massig bezeichnete, war nicht zu fassen.
»Sie sind schwerer als Lord Hairstreak.« Der Larvenmeister runzelte die Stirn. »Also bewegen Sie sich anders. Das soll keine Kritik sein, aber daran müssen wir eben etwas ändern. Ich bin ebenfalls kräftiger als Hairstreak, aber sehen Sie – «
Es war unheimlich, richtig zum Fürchten. Während der Larvenmeister wieder durch die Halle ging, schien er zu schrumpfen. Seine rechte Schulter fiel in eine für Hairstreak typische Haltung. Seine Gesichtszüge arrangierten sich zu einer grimmigen, unversöhnlichen Maske. Vor allem aber wurde aus seinem Gang ein arrogantes, insektenhaftes Hasten. Ohne Illusionszauber, ohne jede körperliche Ähnlichkeit erweckte er fast den Eindruck, Hairstreak persönlich zu sein.
»Jetzt Sie«, sagte Larvenmeister Wainscot.
Chalkhill gab sich Mühe. Oh, wie viel Mühe Chalkhill sich gab. Er ließ die Schulter fallen, machte sich klein und stapfte ein ums andre Mal auf und ab über den polierten Fußboden. Er studierte sein Spiegelbild. Er versuchte, sich in Lord Hairstreak hineinzufühlen wie ein Schauspieler, der sich auf eine Rolle vorbereitete. Er ging hin und her und her und hin und versuchte es, bis ihm allmählich die Füße wehtaten.
»Es hilft alles nichts«, sagte der Larvenmeister schließlich. »Wir werden zu einem Wurm greifen müssen.«
Fünfundzwanzig
B ei der dritten Runde um das Feuer war Brimstone außer Atem, aber zum Glück bedeutete ihnen der Priester, stehen zu bleiben. »Nun stellt euch nebeneinander auf«, wies er sie laut an. Dann flüsterte er Brimstone ins Ohr: »Und versuchen Sie so aus der Wäsche zu gucken, als ob das heute Ihr Freudentag wäre.«
Brimstone, dem für eine Antwort die Luft fehlte, begnügte sich mit einem durchdringenden Blick. Dann wandte er sich um und lächelte seine Braut ebenso kurz wie heuchlerisch an. Sie lächelte munter zurück. Fünf Ehemänner! Wenn sie die wirklich alle um die Ecke gebracht hatte, musste sie ein Vermögen zusammengerafft haben. Diese Hochzeit erwies sich womöglich als sehr einträgliches Geschäft.
»Liebe Freunde«, verkündete der Priester in die allgemeine Richtung der Penner, die nicht gerade wie liebe Freunde aussahen, »wir haben uns heute hier versammelt, um bla-de-bla und so weiter, Rhabarber, Rhabarber und so weiter, ah-hmmmmmm. «
Brimstone sah ihn verdattert an.
»Die volle Zeremonie kostet extra«, flüsterte der Priester. »Die Braut wollte nicht dafür aufkommen, aber ich kann’s Ihnen berechnen, wenn Sie möchten.«
Brimstone schüttelte energisch den Kopf. »Weiter im Text«, zischte er.
»Nach der religiösen Einführung und der Segnung«, intonierte der Priester, »kommen wir nun zum Symbolgehalt der Eheschließung. Die Braut hält, wie ihr sehen könnt, einen stacheligen Kaktus in den Händen, der die Dornen der Not verkörpert, die alle Ehepaare im Laufe ihres gemeinsamen Lebens erfahren. Ich bitte die Braut nun, diese Dornen
Weitere Kostenlose Bücher