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Der Purpurkaiser

Titel: Der Purpurkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbie Brennan
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ändern. Er musste einfach bloß irgendwelche Leute finden. Wenn er sich nach der Sonne richtete, konnte er sichergehen, dass er immer in dieselbe Richtung ging. Dann konnte er sich nicht verlaufen. Auf gar keinen Fall.
    Die Sonne war nicht zu sehen.
    Sie musste aber zu sehen sein. Der Himmel war strahlend blau. Trotzdem war da keine Sonne. Es gab Licht – Tageslicht praktisch –, bloß konnte er die Sonne nicht sehen. Es lag nicht an seinen Augen, auch wenn sie sich immer noch nicht richtig auf die Entfernung einstellten – die Sonne war einfach nicht da!
    Henry riss sich mühsam zusammen. Er brauchte gar keine bestimmte Richtung einzuschlagen. Da er sich hier nicht auskannte, spielte die Richtung überhaupt keine Rolle. Auf Leute stieß er in der einen Richtung ebenso gut wie in der anderen. Er musste nur zu jammern aufhören und loslegen.
    Also setzte er sich in Bewegung.
    Da war irgendwas auf seinem Rücken! Sobald er sich bewegte, konnte er es spüren. Es hielt ihn bei den Schulterblättern gepackt und baumelte daran, auf richtig schreckliche, gruselige, alptraumhafte Weise. Ohne nachzudenken griff er nach hinten und seine Hände schlossen sich um etwas Entsetzliches und Zerbrechliches und Insektenhaftes und –
    Und Bewegliches.
    In einem Moment der absoluten Verblüffung entdeckte Henry, dass ihm Flügel gewachsen waren.
     

Dreissig
     
    D a hatte Chalkhill sich solche Hoffnungen gemacht, hatte sich stundenlang abgerackert und die ungeheuerliche Demütigung erduldet, einen Wurm in seinen Eingeweiden zu haben. Alles umsonst! Warum blies Hairstreak die Aktion jetzt auf einmal ab?
    »Das kann ich dir sagen«, erklärte der Wurm.
    »Im Ernst?«, fragte Chalkhill lautlos. Er hatte es geschafft, das unaufhörliche Gequassel einigermaßen zu verdrängen, aber wenn der Wurm wollte, konnte er immer noch zu ihm durchdringen.
    »Aber sicher doch. Ich muss mich bloß mal im Netz umhören.«
    »In was für einem Netz denn?«, fragte Chalkhill stirnrunzelnd.
    »Die Wangarami sind Telepathen. Also untereinander, nicht im Umgang mit anderen Spezies, außer natürlich während einer Symbiose, wie wir sie gerade haben. Ich war immer der Überzeugung, dass diese Eigenschaft für eine gewisse Überlegenheit spricht, aber das ist natürlich Gegenstand eines philosophischen Diskurses der klügsten Köpfe von uns Wangarami; darum – «
    »In was für einem Netz denn?«, fragte Chalkhill rasch erneut.
    »Im weltweiten telepathischen Netz. Wir sind alle damit verbunden. Was bedeutet, dass jeder beliebige Wangaramas – ich zum Beispiel – Zugang zu Wissen, Datenmaterial, Glauben und Gehirnstruktur jedes anderen Wangaramas besitzt.«
    »Du meinst, was der eine weiß, wissen alle?«
    »Grundsätzlich gesprochen, ja.«
    »Das heißt, wenn irgendein Wurm zufällig wissen sollte, warum Hairstreak meine Mission abgeblasen hat, kannst du dich da einklinken und es rauskriegen?«
    »Ganz genau«, bestätigte der Wangaramas. »Und ich würde es vorziehen, wenn du dieses Wort in Zukunft vermeidest.«
    »Welches Wort denn?«, fragte Chalkhill laut, weil er wieder nicht daran gedacht hatte.
    »›Wurm‹. Der korrekte Ausdruck lautet ›Wangaramas‹, Mehrzahl ›Wangarami‹.«
    Chalkhill leuchtete nicht recht ein, warum er einen Wurm nicht »Wurm« nennen sollte, aber er hielt es für besser, dem Wesen seinen Willen zu lassen. »Ich bitte um Entschuldigung«, sagte er. Und fügte, um es wieder gutzumachen, hinzu: »Und wie soll ich dich nennen? Also als Einzelperson?«
    »Cyril«, sagte der Wangaramas in seinem Kopf.
    Gleich nach Überbringen der Botschaft war der Larvenmeister verschwunden, um einen anderen Unglücklichen zu unterweisen, und Chalkhill hatte sich bei der Gelegenheit verdünnisiert. Er befand sich jetzt auf dem Außengelände der Mordakademie und spazierte gemütlich zum Tor. Er war absolut unentschieden, ob die Nachricht, die der Bote gebracht hatte, nun gut oder schlecht war. Wenn Hairstreak ihn nicht länger brauchte, konnte das bedeuten, dass er wieder tun und lassen konnte, was er wollte, solange er sich von der Obrigkeit fern hielt, was nicht weiter schwer war, wenn er sich in Yammeth Cretch niederließ. Auf der anderen Seite konnte es auch bedeuten, dass Hairstreak ihn ermorden lassen würde, in welchem Falle er Yammeth Cretch so schnell wie möglich verlassen musste. Es war eine fürchterliche Zwickmühle. Er brauchte dringend weitere Informationen.
    »Würdest du das für mich tun… Cyril?«, fragte er

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