Der Purpurkaiser
schmeichelnd. »Würdest du dich in euer Netzwerk klinken und in Erfahrung bringen, was Lord Hairstreak tatsächlich vorhat?«
»Aber selbstverständlich werde ich das, Jasper. Wenn es darüber Daten gibt, werde ich sie dir liefern.«
Ohne Vorankündigung war es still in seinem Kopf. Chalkhill verspürte eine solche Woge der Erleichterung, dass ihm fast schwindelig wurde. Dann war auf einmal die Hölle los. Tausend, nein, hunderttausend Stimmen quasselten durcheinander. Die Lautstärke stieg an, bis er das Gefühl hatte, dass ihm gleich der Schädel platzte. Ihm wurde schwarz vor Augen und er sank auf die Knie und presste die Hände an die Schläfen.
»Alles in Ordnung mit Ihnen?«, fragte eine Stimme von außen, aber er konnte nicht feststellen, wem sie gehörte.
Die inneren Stimmen verstummten. In der erlösenden geistigen Stille spürte er Cyril sich regen. »Na, das hat ja nicht lange gedauert. Gute Neuigkeiten, Jasper. Lord Hairstreak braucht dich nicht mehr zu Prinz Pyrgus’ Ermordung während der Krönungsfeierlichkeiten, weil Prinz Pyrgus gar nicht mehr gekrönt werden wird. Ein früherer Plan von Lord Hairstreak hat gegriffen. Prinz Pyrgus und seine engsten Vertrauten sind verbannt worden. Das Reich wird jetzt von Lord Hairstreak als Reichsverweser für Prinz Comma regiert. Das alles wollen sie demnächst öffentlich verkünden.«
Eine ganze Weile konnte Chalkhill es schlicht nicht glauben. Das ganze Reich regiert von Hairstreak? Das hieß, die Nachtelfen hatten gesiegt. Es war unglaublich. Es war wunderbar. Es war eine Gelegenheit, wie man sie im Leben nicht zweimal bekam. »Und an all dem besteht kein Zweifel?«, fragte er.
»Ich habe es von einem Wangaramas namens Wilhelm, der im Po eines PR-Beraters von Hairstreak steckt.«
»Alles in Ordnung mit Ihnen?«, fragte draußen wieder jemand.
Chalkhill blinzelte. Vor ihm stand eine junge Frau. Ihrer Uniform nach zu urteilen gehörte sie zum Lehrkörper. Er lächelte sie an. »Alles bestens«, sagte er freundlich. »Alles bestens.«
Einunddreissig
E s war echt seltsam. Wenn Henry sich richtig darauf konzentrierte, tat sich gar nichts. Aber wenn er sich nicht konzentrierte, sondern einfach machte, dann bewegten sich die Flügel. Nicht sehr stark, klar; aber ein bisschen. Das Problem war, dass sie sich nicht gleichzeitig bewegen wollten. Mal zuckte der eine kurz, mal schlug der andere leicht. Aber mit Koordination oder mit Kraft dahinter hatte das nichts zu tun.
Während er versuchte, die Flügel zu bewegen, entdeckte Henry, dass er eine ganz neue Muskelpartie besaß. Sie lag zwischen seinen Schulterblättern und die Flügel wuchsen daraus hervor wie Bäume. Den Muskel konnte er ebenfalls bewegen, wenn er ein bisschen herumwackelte, aber auch nur ein ganz kleines bisschen. Er merkte gar nicht mehr, dass er mitten auf der kastanienbraunen Ebene stand. Das mit den Flügeln war gruselig, aber es war auch das absolut Spannendste, was ihm seit Jahren passiert war.
Auf einmal breiteten sich die Flügel aus, spreizten sich hinter ihm wie ein… wie ein… Ihm fiel kein Vergleich ein, aber vor seinem geistigen Auge sah er sich als einen jungen geflügelten Superhelden, der gerade stolz und majestätisch das unerforschte Gebiet vor sich überblickte. Es machte ihn ganz wagemutig und unternehmungslustig. Aber mit Flügeln, die richtig funktionierten, wäre es noch viel besser gewesen.
Henry verdrehte sich fast den Hals, um sie sehen zu können. Groß und prächtig hingen sie an ihm. Es waren keine Vogelflügel, sondern eher Schmetterlings- oder Mottenflügel – von einer Farbe wie rostiges Eisen und mit ein paar ungleichmäßigen, unscheinbaren Flecken. Er hatte schon beeindruckendere Schmetterlinge gesehen, aber schön waren seine Flügel trotzdem. Wunderschön! Er hatte Flügel! Damit war er praktisch ein Superheld! Es war ein unbeschreibliches Wunder.
Henry fing zu rennen an. Wenn er nur schnell genug rannte, hob er ja vielleicht ab.
Seine Flügel spreizten sich hinter ihm und er konnte spüren, wie die Luft an ihnen zerrte. Das war total verrückt. Er hatte plötzlich Gefühl in den Flügeln. In den neuen Muskeln zwischen seinen Schulterblättern war ein Ziehen und die Luft selbst fühlte sich wie ein weiches Kissen an. Er glaubte schon, jeden Moment abzuheben, aber dann passierte es doch nicht. Er versuchte es erneut, lief noch schneller. Seine Flügel wackelten und flappten unkontrolliert, das war alles.
Dann fiel ihm etwas ein. Wenn er
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