Der Purpurkaiser
Ein-Mann-Gleiter belegten eindeutig, dass sie Schwebezauber kannten. Warum benutzten sie sie hier nicht?
»Sind zwischen Bäumen effektiver«, flüsterte Torhüter Fogarty zur Antwort. »Ein gutes Pferd braucht man nicht zu lenken – es umgeht Hindernisse von ganz allein. Ist viel sicherer als eine fliegende Scheibe und alles in allem wahrscheinlich sogar schneller.«
Der zweite Trupp bewegte sich so gemessen, dass das Ganze an eine festliche Zeremonie erinnerte. Pyrgus reckte den Hals, aber die Lichtung war von dichtem Wald umgeben, und über dem Pfad bog sich ein Blätterdach, das kaum Licht durchließ.
Die Bogenschützen erreichten die Lichtung und folgten dem Beispiel der beiden Vorreiter. Sie teilten sich und formten einen Kreis von Berittenen. Zu Pyrgus’ Überraschung, in die sich auch eine leise Sorge mischte, ritten sie hinter ihm entlang, so dass er mit Blue und Mr Fogarty innerhalb des Kreises isoliert war. Er warf einen Blick nach hinten, entschied, dass er nichts daran ändern konnte, und wartete ab.
Eine merkwürdige Prozession kam ins Blickfeld. Reiter und Pferde wurden von Läufern begleitet, die herumsprangen und hüpften und mit den Armen winkten wie Wahnsinnige und ohne sichtliche Mühe mit den Pferden mithielten. Reiter wie Läufer waren kostümiert und trugen eine merkwürdige Zusammenstellung von Kleidern, die glatte fünfhundert Jahre aus der Mode waren. Viele Spitzhüte und weiche, spitze Samtschuhe waren zu sehen.
»Gütiger Gott!«, sagte Mr Fogarty. »Das ist die Wilde Jagd!«
Pyrgus sah ihn an.
»Ein alter Aberglaube in meiner Welt«, erklärte Mr Fogarty. »Zumindest dachte ich eben noch, es wäre ein Aberglaube. Vor langer Zeit, im Mittelalter, glaubte man daran, dass in bestimmten Nächten Hexen und andere übernatürliche Geschöpfe durch den Wald ritten und jagten… nicht Tiere… sondern Seelen oder so. Es nannte sich die Wilde Jagd. Das hier muss der Ursprung dieses Volksglaubens sein – sieh dir diese Kostüme an, die Beschreibungen sind identisch: spitze Hüte, Bogenschützen, Pferde, und die Frau führt sie an.«
Auf einmal fiel Pyrgus die Frau an ihrer Spitze auf, und er fragte sich, warum er sie vorher nicht bemerkt hatte. Es handelte sich um das merkwürdigste Geschöpf, das er je gesehen hatte. Nicht nur, dass sie vollständig in Grün gekleidet war – sie trug einen pelzbesetzten Umhang über einer weiten Bluse und engen Kniebundhosen – nein, selbst ihre Haut war grün und hob das Gold ihrer riesigen Augen hervor.
»Was ist das für ein Wesen?«, flüsterte er. Er konnte kaum die Augen von der Frau lassen. Selbst ihr Haar war grün und eine Kette winziger Waldblumen war hineingeflochten. Ein Stück hinter ihr ritt ein grüner Mann, die Brust nackt unter dem Umhang, breit und muskulös, einen gespannten Bogen auf dem Rücken. Aber seine Augen waren fast schwarz und sein Haar goldblond.
Die Frau ritt direkt auf Pyrgus zu, dann zügelte sie ihr Pferd und glitt anmutig vom Sattel. Aus der Nähe war ihre Färbung sogar noch beunruhigender. Sie starrte Pyrgus in die Augen, als versuchte sie, seine Gedanken zu lesen, dann sagte sie ernst: »Kronprinz Pyrgus Malvae, ich bin Königin Kleopatra.« Sie deutete auf den grünen Mann, der im Sattel geblieben war. »Dies ist mein Gemahl Gonepterix.« Gonepterix nickte knapp zum Gruße. Sein Blick war unverstellt, aber er wirkte sehr wachsam.
»Königin Kleopatra?«, fragte Fogarty. »Sagtet Ihr Kleopatra?«
Die Frau bedachte ihn mit einem langen Blick aus den Augenwinkeln. Ihr Gesicht zeigte einen Ausdruck leichter Belustigung. »So heiße ich. Und Sie sind der Torhüter aus einer anderen Welt – die Bemalte Dame hat mir von Ihnen erzählt.«
Königin Kleopatra? Königin von wem oder was? Pyrgus dämmerte allmählich, dass die Waldelfen ganz anders waren, als alle Welt von ihnen dachte. Sie waren sehr geschickt darin, sich zu verbergen – und ihre Errungenschaften geheim zu halten. Dieses Volk konnte im Inneren von Bäumen leben. Es bildete praktisch ein Reich im Reiche.
Königin Kleopatra wandte ihre beunruhigenden goldenen Augen wieder Pyrgus zu. »Ich möchte Euch willkommen heißen – und mit Eurer Schwester reden. Ist sie bei Euch?«
»Ich bin Prinzessin Blue«, sagte Blue und trat vor. Sie war ein bisschen von Mr Fogarty verdeckt gewesen.
Kleopatra lächelte sie freundlich an. »Die Bemalte Dame hat mir so viel von Euch erzählt – mehr noch als vom Torhüter.«
So freundlich der Empfang auch war, Pyrgus
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