Der Rache kaltes Schwert - Crombie, D: Rache kaltes Schwert - And Justice there is None
dem Kopf auf die Zeitungen, die aufgeschlagen auf seinem Schreibtisch lagen. »Ganz abgesehen davon, dass der Polizeipräsident mich schon wieder angerufen hat. Karl Arrowoods Freunde geben uns die Schuld, weil wir seinen Tod nicht haben verhindern können – und ich kann es ihnen nicht einmal verdenken.«
»Ich weiß, Sir.« Gemma musste die Zähne zusammenbeißen und all ihre Willenskraft zusammennehmen, um ihrer Frustration nicht auf der Stelle Luft zu machen. Dem Chef war es ganz gleich, wie sehr sie sich bemühte, er wollte nur Resultate sehen. Ihr wurde plötzlich klar, dass sie zum ersten Mal die Verantwortung für ein angebliches Versagen in einem schwierigen Fall übernehmen musste, ohne dass Kincaid sich schützend vor sie stellen konnte.
»Ich will ja nicht Ihre Arbeit kritisieren«, fügte Lamb hinzu und kam damit ihren eigenen Überlegungen empfindlich nahe. »Aber vielleicht müssen Sie ja die Teile des Puzzles wieder zurück in die Schachtel tun, sie kräftig schütteln und sie noch einmal auskippen, um zu sehen, ob sie sich diesmal anders zusammensetzen lassen. Manchmal beißen wir uns so an einer Idee fest, dass wir nicht sehen können, was sich vor unserer Nase abspielt.«
»Superintendent Kincaid verfolgt eine andere Spur, Sir. Es geht um neue Informationen bezüglich des ersten Mordopfers, Marianne Hoffman.«
»Und Sie sind immer noch überzeugt davon, dass zwischen den Fällen ein Zusammenhang besteht?«
»Ich behaupte natürlich nicht, dass solche zufälligen Übereinstimmungen unmöglich sind. Aber in diesem Fall sagt mir mein Bauch, dass es eine Verbindung geben muss , die wir bloß noch nicht sehen können . «
Lamb nickte. »Ich neige auch zu dieser Ansicht. Gab es noch irgendwelche Probleme mit Sergeant Franks?«
»Vorläufig nicht.« Sie hatte zwar ihre Gründe gehabt, Franks zu bitten, die Vernehmung von Gavin Farley an diesem Morgen durchzuführen, doch der schien den Auftrag als eine persönliche Auszeichnung empfunden zu haben und hatte sich im weiteren Verlauf des Tages ihr gegenüber geradezu zuvorkommend verhalten. Sie wusste, dass sie äußerst geschickt lavieren musste, wenn sie sich seine Kooperation sichern und zugleich ihre Autorität nicht gefährden wollte, aber im Moment sah es so aus, als ob es funktionierte.
»Und Ihre Zusammenarbeit mit Scotland Yard?«
»Läuft hervorragend, Sir«, antwortete Gemma, doch ihr war dabei unwohl zumute. Sie war sich sicher, dass Lamb von ihrer persönlichen Beziehung zu Kincaid wusste, doch er sprach nie direkt darüber.
Lamb lächelte und bestätigte dadurch ihren Verdacht. »Wie ich höre, darf man Ihnen gratulieren.« Sie musste ihn verständnislos angestarrt haben, denn er fügte hinzu: »Zu Ihrem Umzug. Duncan und ich sind alte Freunde. Ich wünsche Ihnen viel Glück bei dem Versuch, es auf Dauer mit ihm auszuhalten.«
Gemma schluckte noch einmal, dann packte sie die Gelegenheit beim Schopf. »Da wäre noch etwas, Sir. Ich wollte Ihnen nur sagen, dass ich schwanger bin. Das Baby soll im
Mai kommen, aber ich werde nur den vorgeschriebenen Mutterschaftsurlaub nehmen. Und ich werde auf keinen Fall -«
»Herzlichen Glückwunsch! Das ist ja eine wunderbare Neuigkeit.« Lamb schien ehrlich erfreut. »Ich verzichte zwar sehr ungern auf Sie, und wenn es auch nur für eine Weile ist, aber lassen Sie sich nur ja alle Zeit, die Sie brauchen. Bekomme ich auch eine Einladung?«
»Eine Einladung?«
»Zur Hochzeit natürlich.«
Gemma spürte, wie das Blut aus ihrem Gesicht wich und sogleich wieder zurückfloss wie ein glühender Lavastrom. Das war die eine Reaktion, mit der sie nicht gerechnet hatte – sie war vollkommen unvorbereitet auf seine Frage.
»Ach, ich bin wohl nicht zum Heiraten geschaffen, dafür bin ich viel zu dickköpfig«, hörte sie sich mit betonter Beiläufigkeit sagen. Und außerdem , setzte sie im Stillen hinzu, hat er mir überhaupt keinen Heiratsantrag gemacht.
Als Gemma sich in ihrem Büro hinsetzte, um ihre Stiefel anzuziehen, stellte sie fest, dass ihre Hände zitterten. Da hatte sie sich so den Kopf zerbrochen und dem Moment entgegengezittert, in dem sie ihren Chef über ihren Zustand aufklären würde, und dann war alles gar kein Problem gewesen. Gewiss, es blieb abzuwarten, wie sich die Dinge im Dienst auf lange Sicht entwickeln würden, aber die erste Hürde hatte sie genommen.
Sie war plötzlich wie aufgedreht, und sie war froh, dass sie Kincaid gesagt hatte, sie würde zu Fuß nach Hause gehen,
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