Der Rache kaltes Schwert - Crombie, D: Rache kaltes Schwert - And Justice there is None
nicht. Ich meine nur, dass du so etwas niemals getan hättest, als wir noch zusammengearbeitet haben.«
»Da wäre das nie ein Thema gewesen. Ich habe mich bei der Sache nicht besonders geschickt angestellt. Tut mir Leid.«
Sie verschränkte die Arme vor der Brust und betrachtete ihn nachdenklich. Es würde schön sein, wieder im Team zu arbeiten, aber sie wollte ihre mühsam erworbene Autorität bei
ihren Leuten nicht gleich wieder aufs Spiel setzen. »Und was ist mit meinen Leuten?«
»Du wirst dich direkt mit ihnen absprechen. Und ich werde mir Mühe geben, dir nicht auf die Füße zu treten.«
»Es gefällt mir immer noch nicht.«
»Kannst du mich nicht als eine Art Bonus betrachten? Als eine nützliche Informationsquelle?«
Er wusste immer, wann er sich diplomatisch geben musste, dachte sie mit leisem Groll, aber andererseits war das einer der Gründe, weshalb er in seinem Job so gut war. »Also gut. Ich werde dich beim Wort nehmen. Jetzt kannst du mir zuerst einmal alles erzählen, was du über den früheren Fall weißt. Und dann kannst du mit mir zu Dawn Arrowoods Eltern fahren.«
»Da wären wir.« Gemma parkte den Wagen vor dem Haus von Dawn Arrowoods Eltern, einem Reihenhaus aus dunklem Backstein in East Croyden. Es war eine einfache Wohnlage, Welten entfernt von der Eleganz des Arrowood’schen Heims in Notting Hill.
Gemmas Miene war ernst und entschlossen, als sie aus dem Wagen ausstieg. Kincaid wusste, dass ihr vor dem Gespräch graute, doch es war eine Notwendigkeit, der sie nicht aus dem Weg gehen konnten. Die Straße lag still und verlassen da, während er an der Tür läutete, und die Luft roch nach Sonntagsbraten.
Der Mann, der die Tür öffnete, war Mitte fünfzig, ergraut und ein wenig korpulent, er trug Hemd und Krawatte, als ob er gerade vom Sonntagsgottesdienst nach Hause gekommen wäre.
»Mr. Smith?«, fragte Gemma und zeigte ihm ihren Dienstausweis. »Wir würden uns gerne mit Ihnen und Ihrer Frau unterhalten, wenn es Ihnen recht ist.«
Der Mann nickte wortlos und führte sie ins Wohnzimmer.
»Joanie, es ist die Polizei«, sagte er. Die Trauer lag geradezu spürbar in der Luft. Der Christbaum in der Ecke und die auf dem Kaminsims aufgereihten bunten Weihnachtskarten wirkten fast grausam in ihrer unangemessenen Fröhlichkeit.
Dawns Mutter stand vom Sofa auf, und Kincaid sah, dass sie in einem Fotoalbum geblättert hatte. Er konnte erkennen, dass Joan Smith noch bis gestern als ein gealtertes Abbild der Schönheit ihrer Tochter hätte gelten können; ihre Magerkeit wäre als Eleganz interpretiert worden. Doch der Kummer hatte sie ausgezehrt und eine hagere, zerbrechlich wirkende Frau zurückgelassen, die älter aussah, als sie in Wirklichkeit war.
»Haben Sie ihn gefunden?«, fragte sie. »Das Ungeheuer, das unsere Tochter ermordet hat?«
»Nein, Mrs. Smith. Es tut mir Leid. Ich weiß, es muss schwer sein für Sie, aber wir hatten gehofft, Sie könnten uns etwas über Dawn erzählen.« Gemma war die Behutsamkeit in Person, und Kincaid begnügte sich damit, zuzuhören und zu beobachten. »Könnten wir uns vielleicht setzen?«, fragte Gemma, worauf Mrs. Smith sich gehorsam wieder auf das Sofa sinken ließ, ohne das Fotoalbum aus der Hand zu legen. Kincaid sah, dass überall in dem beengten Zimmer Fotos von Dawn standen und hingen, vom Baby an – Bilder eines abgöttisch geliebten Einzelkinds.
»Können Sie uns sagen, wann Sie Ihre Tochter zum letzten Mal gesehen haben?« Gemma richtete die Frage an beide Eltern, doch es war die Mutter, die ihr antwortete.
»Vor zwei Wochen. Sie kam sonntags zum Essen. Sie ist nicht oft am Wochenende hergekommen, weil er etwas dagegen hatte, aber an dem Sonntag war er gerade auf Geschäftsreise.«
»Mr. Arrowood hatte etwas dagegen, dass Ihre Tochter Sie besuchte?«, vergewisserte sich Gemma stirnrunzelnd.
»Wir waren ihm ja nicht gut genug, nicht wahr? Clarence
leitet einen Supermarkt, und er leistet dort gute Arbeit, aber das hat Karl Arrowood überhaupt nicht interessiert. Er wollte nichts mit uns zu tun haben.«
Ihr Mann saß schweigend neben ihr und sah sie an; dann und wann kommentierte er ihre Ausführungen mit einem langsamen, gekränkten Kopfschütteln, so als sei er darauf angewiesen, dass sie die Gefühle ausdrückte, die er nicht formulieren konnte.
»Können Sie sich vorstellen, dass er nicht ein einziges Mal hier gewesen ist? Und dass wir nie zu ihnen eingeladen worden sind? Nicht mal an Weihnachten oder an anderen
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