Der Rache kaltes Schwert - Crombie, D: Rache kaltes Schwert - And Justice there is None
warnte Kincaid lachend, während er ihren Schirm aus der Ablage nahm.
Schweigend gingen sie den Pfad entlang. Neuere Grabsteine standen hier und da zwischen den alten Grabmalen und Skulpturen, doch mit ihrem glänzenden schwarzen Marmor konnten sie an die geschmackvolle Eleganz der älteren Monumente nicht heranreichen.
»Das muss man den Viktorianern lassen«, sagte Kincaid leise, während er an ihrer Seite ging. »Sie haben es verstanden, den Tod zu zelebrieren.«
Noch nie hatte Gemma so viele Engel gesehen: weinende Engel, wachende Engel, Engel mit gen Himmel gereckten Händen. Die Stille des Ortes begann sich auf sie zu übertragen, und unwillkürlich atmete sie tief durch. Die Landschaft war auch keineswegs so öde, wie sie anfangs gedacht hatte. In den knorrigen Bäumen und im Dickicht wimmelte es von Vögeln aller Art, und Eichhörnchen huschten geschäftig in dem hohen Gras umher. Zur Rechten konnte sie durch die Bäume ein großes Gebäude mit weißen klassizistischen Säulen erkennen.
»Die anglikanische Kapelle«, erläuterte Kincaid. »Obwohl ›Kapelle‹ eine ziemlich unangemessene Bezeichnung für einen solchen Prunkbau ist. Ich glaube, sie wird nicht mehr benutzt.«
Sie näherten sich dem Grüppchen der Trauergäste, blieben jedoch aus Höflichkeit in einigen Metern Entfernung stehen. Neben einem dunklen Loch in der Erde stand ein üppig verzierter Sarg, an dessen Kopfende ein Geistlicher in schwarzer Robe die Totenmesse las. Neben ihm stand Karl Arrowood in schwarzem Anzug und Mantel. Er hatte den Kopf gesenkt, und in seinem goldblonden Haar schimmerten kleine Tropfen. Dawns Eltern standen auf der anderen Seite, wie um jeden Kontakt mit ihrem Schwiegersohn zu vermeiden. Gemma erkannte auch die leise weinende Natalie Caine, gestützt auf einen stämmigen jungen Begleiter mit heiterem Gesicht, in dem Gemma ihren Mann vermutete. Die übrigen Trauergäste schienen Freunde von Dawns Eltern zu sein. »Keine verdächtigen Gestalten, die im Gebüsch lauern«, murmelte Kincaid. »Pech gehabt.«
Der Priester war nun fertig und klappte sein Buch zu. Karl Arrowood trat vor und legte eine einzelne weiße Rose auf den Sarg. Dawns Mutter brach in hysterisches Schluchzen aus, worauf ihr Mann sie vom Grab wegführte. Mehrere Trauergäste kamen auf Arrowood zu, um ihm die Hand zu geben. Obwohl es sie sichtlich Überwindung kostete, schloss auch Natalie Caine sich an. Dann begrüßte sie Gemma mit einem Nicken, bevor sie mit ihrem Mann zum Wagen zurückging.
Gemma und Kincaid warteten, bis alle Karl Arrowood ihr Beileid ausgesprochen hatten. Er hatte sie erkannt und blickte ihnen entgegen, die Hände in den Manteltaschen vergraben.
»Mr. Arrowood«, sagte Gemma, »das ist Superintendent Kincaid von Scotland Yard.«
»Soll das heißen, dass Sie inzwischen Scotland Yard hinzugezogen haben? Vielleicht machen Sie ja jetzt endlich Fortschritte bei der Aufklärung des Mordes an meiner Frau.«
»Ich ermittle in einem anderen Mordfall, Mr. Arrowood«, antwortete Kincaid. »Die Tat hat sich vor zwei Monaten in der Camden Passage ereignet. Eine Frau namens Marianne
Hoffman wurde in der gleichen Weise wie Ihre Frau ermordet. Kannten Sie sie?«
»Nein«, erwiderte Arrowood, doch er war blass geworden. »Wer war sie?«
»Mrs. Hoffman verkaufte antiken Schmuck in ihrem Laden in der Camden Passage. Sie wohnte über dem Geschäft. Wissen Sie von irgendeiner Verbindung Ihrer Gattin mit dieser Frau?«
»Sie sagten, sie verkaufte Schmuck? Nein … ich habe immer den Schmuck für Dawn gekauft. Sie hätte keinen Grund gehabt, einen Laden wie diesen aufzusuchen.«
»Als wir uns am Samstag unterhielten, Mr. Arrowood«, sagte Gemma, »und ich Ihnen sagte, dass Ihre Frau schwanger gewesen war, da haben Sie es versäumt zu erwähnen, dass Sie sich vor Ihrer Heirat mit Dawn hatten sterilisieren lassen.« Sie bemerkte ein leisen Zucken um seine Mundwinkel, das er jedoch rasch unterdrückte.
»Und warum hätte ich annehmen sollen, dass eine derart persönliche Angelegenheit Sie etwas angehen sollte?«
»Weil Sie, wenn Sie von der Schwangerschaft Ihrer Frau erfahren hätten, selbstverständlich angenommen hätten, dass sie einen Liebhaber hatte. Das ergibt meiner Meinung nach ein sehr gutes Mordmotiv.«
»Wenn Sie damit andeuten wollen, dass ich meine Frau ermordet haben könnte, dann sollten Sie lieber vorsichtig sein. Ich habe meine Frau geliebt, auch wenn es Ihnen schwer fällt, das zu glauben, und ich hatte keinen Grund, an
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