Der Rache kaltes Schwert - Crombie, D: Rache kaltes Schwert - And Justice there is None
aus. »Sie sind einfach hoffnungslos – durch und durch kleinbürgerlich.«
»Und das werfen Sie ihnen vor?«, entgegnete Gemma. »Als ob man sich das aussuchen könnte?«
»Kann man das etwa nicht?«, fragte er. »Dawn jedenfalls hatte beschlossen, ihre Herkunft hinter sich zu lassen. Und ich im Übrigen auch«, fügte er leise hinzu und blickte zu den nahen Grabsteinen hinüber, als ob er dort nach etwas Vertrautem suchte. Dann sah er wieder Gemma an und setzte ein schiefes Lächeln auf. »Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden – ich muss meine Schwiegereltern begrüßen.«
»Da wäre noch eine Sache, Mr. Arrowood«, warf Kincaid ein. »Kennen Sie einen gewissen Alex Dunn?«
»Natürlich kenne ich Alex. Ich mache öfter Geschäfte mit ihm. Was hat er denn mit der ganzen Sache zu tun?« Arrowood schien ehrlich verblüfft.
»Diverse Quellen behaupten, dass Ihre Frau eine Affäre mit ihm hatte.«
Wenn Gemma gehofft hatte, dass Karl Arrowood seine aufreizend unerschütterliche Selbstbeherrschung verlieren würde, dann ging ihr Wunsch jetzt in Erfüllung.
»Alex? Eine Affäre mit Dawn? Das ist doch unmöglich!« Arrowood tastete nach dem nächsten Halt, den er finden konnte, einem mit Flechten überzogenen Grabstein aus Granit.
»Wieso unmöglich?«, fragte Gemma.
»Weil … weil Alex niemals – Sie hätte doch nicht – Ich weigere mich, so etwas überhaupt zu denken! Und erst recht weigere ich mich, weiter mit Ihnen darüber zu diskutieren.« Der Schock stand ihm ins Gesicht geschrieben; die Knöchel der Hand, mit der er sich an den Stein klammerte, waren weiß vor krampfhafter Anstrengung. Er wandte sich von ihnen ab. »Bitte … gehen Sie.«
»Wir werden uns später noch einmal mit Ihnen unterhalten, Mr. Arrowood«, sagte Gemma, doch er reagierte nicht. Als sie zum Wagen gingen, blickte Gemma sich noch einmal um und sah, dass Arrowood nach wie vor reglos und mit gesenktem Kopf vor dem Grab seiner Frau stand.
»Sagt er die Wahrheit?«, fragte Kincaid Gemma, als sie wieder in der behaglichen Wärme des Wagens saßen. Der Regen hatte wieder eingesetzt, kaum dass sie vom Grab weggegangen waren, genau wie er es vorhergesagt hatte.
»Die Wahrheit worüber?« Gemmas Wangen waren von der Kälte rosig angelaufen, ihre Haut glühte, und feuchte Strähnchen ihres kupferroten Haars hatten sich aus ihrer Frisur gelöst und umringten in kleinen Locken ihr Gesicht. In diesem Moment erschien sie Kincaid unbeschreiblich schön, und er wollte es ihr eben sagen, als sie fortfuhr: »Ich könnte schwören, dass er von der Affäre zwischen seiner Frau und Alex Dunn nichts gewusst hat – wenn wir einmal annehmen, dass es stimmt, was man uns erzählt hat.«
Unter Aufbietung seiner ganzen Selbstdisziplin zwang er seine Gedanken in die professionelle Schiene zurück und riss sich von ihrem Anblick los. »Die Vorstellung, dass seine Söhne in die Tat verwickelt sein könnten, hat ihm auch nicht gefallen. Wenn er vorher schon darauf gekommen war, dann ist er ein verdammt guter Schauspieler.«
Gemma runzelte die Stirn und trommelte mit den Fingerspitzen
auf das Lenkrad, während der Wagen holpernd auf den Ausgang des Friedhofs zurollte. »Ein guter Schauspieler, ja. Aber ich werde das Gefühl nicht los, dass sich da irgendwo hinter seiner Maske tatsächlich echte Trauer um seine Frau verbirgt.«
»Die Gefühlswelt eines Menschen ist schwer zu durchschauen. Es ist denkbar, dass er seine Frau getötet hat und trotzdem aufrichtig um sie trauert.«
Er sah, wie Gemma erschauderte, als sie sagte: »Über solche Abgründe will ich lieber gar nicht erst nachdenken. Wie sieht es denn mit Alex Dunn aus? Jeder, den wir gefragt haben, hat betont, wie sehr Alex Dawn geliebt hat, aber auch das bedeutet nicht, dass er sie nicht getötet haben kann. Wir wissen ja nicht, was sich zwischen ihnen abgespielt hat … Mag sein, dass Dawn ihm gesagt hat, dass sie schwanger sei, aber trotzdem Karl nicht verlassen wolle – oder könne; und daraufhin ist Alex vielleicht ausgerastet … Und wenn er nichts mit Dawns Tod zu tun hatte, warum ist er dann plötzlich wie vom Erdboden verschwunden? Seine Freunde im Café und in den Arkaden sagen, er sei vollkommen außer sich gewesen -«
»Du hast einen Durchsuchungsbefehl für seine Wohnung angefordert?«
»Melody hatte ihn schon in der Hand, als wir zu der Beerdigung aufgebrochen sind.«
»Dann sagst du ihr am besten, dass sie sich dort mit uns treffen soll.«
»Immer noch keine Spur von
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