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Der Rache kaltes Schwert - Crombie, D: Rache kaltes Schwert - And Justice there is None

Der Rache kaltes Schwert - Crombie, D: Rache kaltes Schwert - And Justice there is None

Titel: Der Rache kaltes Schwert - Crombie, D: Rache kaltes Schwert - And Justice there is None Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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Kopf erfüllt von Mordgedanken.
     
    Er spazierte um das Städtchen Rye herum, das hoch oben auf seinem Sandsteinkliff thronte, so wie er es an jedem der letzten drei Tage getan hatte. Hier trafen drei Flüsse aufeinander, und früher einmal waren die Meereswellen gegen die Fundamente der Stadt geschlagen; mit der Zeit aber hatten die Flüsse ihren Lauf geändert; das Meer war zurückgewichen und heute nur noch als Silberstreif am südlichen Horizont zu erkennen.
    Zwischen der Stadt und der See lag das Marschland, bevölkert von Schafen und Scharen von Seevögeln. Alex kannte jeden Pfad, der sich durch dieses Gelände schlängelte; es war die Landschaft seiner einsamen Kindheit und seiner Träume. Wenn zuweilen eine Erinnerung an Dawn ihn überraschte, sich zwischen sein Gehirn und seine Muskeln drängte und ihn ins Straucheln brachte, dann schien sein Körper sich ohne sein willentliches Zutun wieder aufzurichten und weiterzumarschieren.
    Aber zu seiner Überraschung war es Karls Gesicht, das er
nun lebhaft vor sich sah. Trotz seines Rufs, ein knallharter Geschäftsmann zu sein, hatte Karl ihn allem Anschein nach immer fair behandelt – ja, er hatte sich sogar bemüht, sein Wissen über Antiquitäten mit Alex zu teilen und ihm Aufträge zukommen zu lassen. Nun wurde Alex klar, wie er sich stets dagegen gesträubt hatte, sich diesen Betrug an einem Freund einzugestehen; und ebenso wenig hatte er darüber nachgedacht, wie Karl reagieren würde, wenn er dahinter käme. Und Dawns offensichtliche Bedenken wegen ihres Mannes hatte er ebenfalls ignoriert. Wie hatte er nur so dumm sein können – so blind?
    In der Ferne konnte er die Kleeblatt-Türme des von Heinrich VIII. erbauten Camber Castle ausmachen; dahinter den sanft geschwungenen grünen Hügel, in dessen Ausläufern sich die alte Seestadt Winchelsea verbarg.
    Als er den Strand bei Winchelsea erreichte, blieb er stehen und blickte auf die grauen Wogen hinaus, ohne dass er die Kälte zu spüren schien – so lange, bis seine Hände und Füße gänzlich taub waren.
    Dann drehte er sich um und ging zurück, wie er gekommen war. Als die Abenddämmerung sich auf das Kopfsteinpflaster und die roten Ziegeldächer senkte, erreichte er Rye. In dem schwindenden Licht kam er sich unsichtbar vor, und er stieg den Weg zur Stadt hinauf. Von dem Aussichtspunkt in der Watchbell Street konnte er die blinkenden Lichter entlang der Kaimauer und draußen auf dem Kanal sehen, und irgendwie war es gerade seine Isolation, die ihm Kraft gab.
    Endlich trieben die Kälte und die Dunkelheit ihn weiter, und er verließ die Stadt, um sich auf den Heimweg zu machen. Unwirklich wie ein Geist glitt er die Fußwege entlang. Aus Janes Schornstein quoll Rauch, und als er ins Haus trat, stieg ihm vom Herd ein köstlicher Duft in die Nase. Doch als er nach ihr rief, kam keine Antwort. Jane musste draußen im Gewächshaus sein; wahrscheinlich war sie mit den Alpenveilchen
und Azaleen beschäftigt, die sie sorgsam für den Weihnachtsmarkt heranzog.
    Ein neuer Duft ließ ihn weitergehen, in Richtung Wohnzimmer – etwas Grünes, Frisches, Würziges. Alex stand wie angewurzelt da und starrte den Baum an, der das ganze Zimmer ausfüllte, mit dem gläsernen Stern an der Spitze, der vor dem dunklen Deckengewölbe der Darre funkelte und strahlte. Sein Leben schien sich vor seinen Augen zusammenzuziehen, und in gleichem Maße wuchs der Schmerz des Verlusts. Da war Dawn, seine Kindheit, und irgendetwas jenseits jeglicher Erinnerung, etwas, dem er noch heute nicht offen in die Augen zu sehen wagte.
    Alex fiel vor dem Baum auf die Knie, überwältigt von heftigem Schluchzen, das ihm in der Kehle schmerzte und seine Brust wie mit glühenden Stangen durchbohrte.
    Plötzlich war Jane da. Sie roch nach Kälte und Erde, als sie ihn in die Arme nahm. »Oh, Alex«, flüsterte sie. »Es tut mir Leid. Es tut mir so Leid.« Doch er riss sich aus ihrer Umarmung los.
    »Nein. Mir tut es Leid.« Sein Kopf war plötzlich wieder klar, als sei das atmosphärische Rauschen, das seine Gedanken tagelang getrübt hatte, plötzlich verflogen. »Ich muss zurück nach London. Ich muss da etwas -«
    »Fern hat heute Nachmittag angerufen. Sie sagt, dass die Polizei nach dir sucht. Sie haben sogar eine Fahndung nach deinem Wagen eingeleitet.«
    »Die Polizei? Was wollen die denn von mir?«
    »Sicherlich hoffen sie, dass du ihnen etwas über den Mord sagen kannst. Je eher du mit ihnen sprichst, desto schneller wirst du alles aufklären

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