Der Rache kaltes Schwert - Crombie, D: Rache kaltes Schwert - And Justice there is None
einigermaßen geradegerückt war, hatten sie sich wieder zusammen an die Arbeit gemacht.
Und jetzt, als sie in der Dunkelheit wach im Bett lag, musste Gemma feststellen, dass ihre Gedanken zu ihrem Exmann Rob wanderten. Er hätte ihr Geständnis nur als Gelegenheit angesehen, ihr haarklein zu erklären, wie er die Dinge geregelt hätte. Sie machte sich klar, dass Kincaid ihr eine wirkliche Stütze war – und das war ein seltener Zug, den sie besser zu schätzen wissen sollte. Warum konnte sie sich dann nicht endlich einmal dazu durchringen, es ihm zu sagen?
Drei Stunden später saß sie über ihren Schreibtisch im Revier gebeugt, nachdem sie jede Gesprächsnotiz, jede Mitteilung aus der Einsatzzentrale und jede Akte eingehend studiert und sich immer wieder gefragt hatte, was ihr wohl entgangen sein könnte. Erschöpft ließ sie den Kopf in die Hände sinken.
Als es leise an ihrer Tür klopfte, sah sie blinzelnd auf. Es war Melody, beladen mit zwei Bechern Kaffee und einer Tüte, aus der es verräterisch nach frischen Muffins duftete.
»Schon wieder Milchkaffee? Und Frühstück dazu? Wie schaffen Sie das nur immer? Sie müssen die Kaffeefee sein. Oder vielmehr der Kaffeeengel.«
Melodys rundliche Wangen liefen rot an. »Ich steige doch bei Notting Hill Gate aus der U-Bahn aus, und auf dem Weg hierher komme ich sowieso an dem Café vorbei. Ich weiß doch, dass ich Ihnen damit immer eine Freude machen kann, und ich dachte, gerade heute … ich meine, ich habe von Sergeant Franks’ Gespräch mit dem Chef gehört, und ich finde das Ganze verdammt unfair.«
»Danke«, entgegnete Gemma gerührt. »Aber ich denke, so ganz Unrecht hatte er wohl nicht. Wir scheinen nicht wirklich von der Stelle zu kommen, nicht wahr? Kommen Sie, setzen Sie sich doch und essen Sie Ihren Muffin.«
Bereitwillig nahm Melody das Angebot an und begann ihren Kuchen auszuwickeln. »Wissen Sie noch, wie Sie mich gefragt haben, ob ich wüsste, weshalb Otto Popov so sehr von Arrowoods Schuld überzeugt sei? Also, ich habe mich gestern Abend ein bisschen in den Pubs umgesehen – in den etwas fragwürdigeren Läden- Sie wissen schon, was ich meine.«
»Doch nicht in dem Aufzug?« Gemma deutete auf Melodys Kostüm.
»Um Gottes willen, nein. Ich hatte meine Lederhose an – Sie hätten mich nicht wiedererkannt.«
»Ich nehme an, Sie waren nicht auf ein Abenteuer aus?«
Melody grinste. »Na ja, ich bin schon mit ein paar ganz passablen Typen ins Gespräch gekommen. Aber am Ende habe ich doch einen Namen herausbekommen – jemand, der vielleicht etwas über Popov weiß. Ein kleiner Gauner namens Bernard. Ich habe ihn in einem Pub in der Nähe der Autobahnbrücke gefunden, und nach zwei Halben hat er sich bereit
erklärt, sich ein bisschen mit Ihnen zu unterhalten, für ein Bier und ein bisschen Bares.«
»Wann«, fragte Gemma, deren Interesse geweckt war. »Und wo?«
»Heute Mittag im Ladbroke Arms. Er meinte, er wollte sich irgendwo mit Ihnen treffen, wo er keine Aufmerksamkeit erregt. Aber da Bernard ein Gesicht wie ein Affe hat und aussieht, als hätte er seit Jahren nicht mehr gebadet, kann ich mir kaum vorstellen, dass es einen Ort gibt, wo er nicht auffällt.«
Gemma zuckte zusammen, als das Telefon auf ihrem Schreibtisch läutete. Sie fürchtete eine Wiederholung der gestrigen Vorladung in das Büro des Superintendent. Aber es war nur der Dienst habende Beamte am Empfang, der sagte: »Hier ist ein junger Mann, der Sie sprechen will, Inspector. Er sagt, sein Name sei Alex Dunn.«
»Dunn?«, wiederholte Gemma verblüfft. Dann fasste sie sich und sagte: »Gut. Bringen Sie ihn in eins der Vernehmungszimmer. Ich komme sofort runter.« Sie legte auf und wandte sich an Melody: »Kommen Sie mit. Ich werde Unterstützung brauchen.«
Alex Dunn erhob sich, als sie den Raum betraten, und streckte die Hand aus, als ob es sich um einen ganz normalen privaten Anlass handelte. Er war in Gemmas Alter und sah auf gepflegte Art gut aus. Gemmas erster Eindruck war, dass er nicht unbedingt der Typ war, dessen Ausstrahlung eine Frau dazu bringen würde, wegen ihm ihre Ehe zu riskieren.
Nachdem sie sich und Melody vorgestellt hatte, schaltete sie den Kassettenrekorder ein und lud ihn mit einer Geste ein, wieder Platz zu nehmen.
»Muss das sein?«, fragte er mit einem entsetzten Blick auf das Aufnahmegerät. Sein anfängliches Vertrauen schien wieder im Schwinden begriffen.
»Nun, ich denke schon«, antwortete Gemma gelassen. »Wir
haben fünf
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