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Der Ramses-Code

Der Ramses-Code

Titel: Der Ramses-Code Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Klonovsky
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doch im ›Museum Criticum‹ …«
    Young hob abwehrend die Hände.
    »Nein, dafür kein banales Periodikum! Ich habe denverschütteten ägyptischen Erzgang wieder geöffnet, das ist, in aller Bescheidenheit, eine historische Tat, und die soll auch in einem historischen Werk der Öffentlichkeit mitgeteilt werden.«
    »Du planst ein Buch über die ägyptische Schrift?«
    »Nein, soviel Material besitze ich nicht. Aber in einem Buch, einem sehr gediegenen, einem Jahrhundertbuch sozusagen, könnte ich meine Resultate unters Volk bringen. Die Herausgeber der ›Encyclopaedia Britannica‹ haben mich nämlich in meiner Eigenschaft als Naturwissenschaftler für die Mitarbeit an diesem lexikalischen Riesenwerk gewonnen. Ich habe bereits zugesagt, die Artikel über Brückenbau, Bergbau, Masse und Gewicht, die Kohäsionskraft, die Gezeiten und natürlich über das Licht zu verfassen. Was spräche nun dagegen, daß ich auch den Beitrag über die altägyptische Schrift, ja vielleicht den über das alte Ägypten überhaupt, schreibe? Das, finde ich, wäre ein angemessener Ort.«
    »Wohl wahr«, antwortete Gurney, »aber zuerst hast du dich beharrlich geweigert, dich überhaupt mit dieser Schrift zu beschäftigen, jetzt willst du dich gleich ganz Ägypten verschreiben.«
    »Anders hat es keinen Sinn. Keine Halbheiten! Mit dem Geld, das unser närrischer Baron verloren hat, kann ich mir durchaus ein paar ägyptische Studientage leisten.«
    »Also weißt du doch, was du mit dem Geld anfangen kannst.«
    Die beiden lachten. Andere Männer, dachte Gurney, würden jetzt mit einem Glas Brandy auf diesen Tag anstoßen, aber Thomas ist für solche Späße nicht zu haben. Wenn ich nachher meinen Brandy allein trinke, wird er weiter Hieroglyphen entziffern. Vielleicht ist er deshalb ein so bedeutender Mensch.
    In diesem Moment überkam den Antiquar das Gefühl eigener Unzulänglichkeit, welches ihn in Gegenwart des Freundes mit Regelmäßigkeit befiel und als dessen Folge er sich meist verabschiedete, weil er meinte, dem anderen mit seiner Anwesenheit im Grunde doch nur die Zeit zu stehlen.Also deutete er seine Absicht an, sich zu entfernen, und Young hielt ihn nicht auf.
    Gurney nahm Hut und Mantel, aber eine Frage brannte ihm noch auf der Zunge.
    »Was ich noch wissen wollte«, sagte er, »welcher Name steht denn nun in dem Oval auf dem Obelisken, den du mir zu Anfang gezeigt hast, der mit Osiris und Mophta?«
    »Ich identifizierte diese Zeichen als ›Arsinoë‹«, antwortete Young. »Das ist der Name der Gattin jenes Ptolemaios, der sich auf der Rosette-Stele verewigen ließ. So muß er auch dort gestanden haben, als sie noch unbeschädigt war. Im griechischen und im demotischen Text kommt Arsinoë bekanntlich vor. Und da es sich um eine Königin handelt, steht ihr Name in einer Königskartusche.«

36
    Mit hektisch geröteten Wangen und einer offenbar keine Sekunde länger zurückzuhaltenden Neuigkeit auf den Lippen platzte Jacques-Joseph eines Morgens in Jean-François’ Unterricht. Die Studenten ignorierend, eilte er zu seinem Bruder und zischte ihm ins Ohr: »Ein englischer Professor hat eine Übersetzung der demotischen Inschrift des Rosette-Steins veröffentlicht!«
    Jean-François wurde blaß und schickte die Studenten zur Pause. Dann ließ er sich auf seinen Stuhl nieder und las den Artikel im »Museum Criticum«, den Jacques-Joseph ihm mitgebracht hatte. Sein Bruder lief währenddessen unruhig im Zimmer auf und ab.
    »Du hast einen sehr ernst zu nehmenden Konkurrenten bekommen«, sagte er.
    Jean-François gähnte demonstrativ.
    »Das ist kein Konkurrent«, entgegnete er und ließ die Zeitschrift sinken. »Was regst du dich so auf? Der Mann hat lediglich die einzelnen Gruppen des Demotischen den wahrscheinlich entsprechenden Passagen des Griechischen gegenübergestellt. Das ist eine simple Fleißarbeit.«
    »Ach? Und warum hast du es dann nicht getan?«
    »Das habe ich längst, ich hielt es bloß nicht für nötig, darüber ein Geschrei anzustimmen oder gar eine Druckerei zu bemühen. Åkerblad und Sacy haben im Grunde dasselbe vollbracht, nur eben nicht für den gesamten demotischen Text, wie dieser Mister Young, sondern lediglich für die Namen darin. Sie haben behauptet, diese Zeichen bedeuten Ptolemaios, jene Alexander, Arsinoë und so weiter. Das hat freilich nie jemand bestritten, denn daß die demotische Inschrift dasselbe bedeutet wie die griechische Übersetzung, ist ja klar, denn es steht ausdrücklich im

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