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Der Ramses-Code

Der Ramses-Code

Titel: Der Ramses-Code Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Klonovsky
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Kunden den Hut aus der Hand nahm und mit gekonnter Bewegung an seinen ursprünglichen Ort plazierte.
    »Achtzehn …, achtzehn Jahre genau ist sie jetzt – gerade geworden.«
    »Was für ein schönes Alter! Einen Sommerhut oder einen für die kältere Zeit?«
    »O das ist egal.«
    »Monsieur?«
    »Pardon, ich meine, einen für jetzt.«
    »Also einen, den die Dame auch unter dem Kinn zusammenbinden kann, damit der Wind ihn nicht fortträgt?«
    »Genau, Sie sagen es, an so einen Hut dachte ich.«
    »Wenn ich Sie bitten dürfte, sich einen winzigen Moment zu gedulden – ich habe da einige Exemplare am Lager. Monsieur, ich bin sofort zurück!« Mit diesen Worten entschwebte das Männlein, und Jean-François blieb mit der Dame allein im Verkaufsraum.
    Verstohlen blickte er zu ihr. Sie mochte zwanzig, vielleicht zweiundzwanzig Jahre alt sein und war vielleicht gar keine Madame, sondern eine Mademoiselle. Dennoch hatte sie nichts Verlegen-Mädchenhaftes, sondern wirkte schnippisch und resolut. Volles, leicht gelocktes rotbraunes Haar fiel ihr bis über die Schultern. Die feinen Augenbrauen stiegen nach außen leicht an, die Lippen, an deren Rand sich Grübchen zeigten, standen üppig, und eine vollendet geformte, dabei durchaus kräftige Kinnpartie rundete ein Gesicht ab, wie man es, so dachte zumindest Jean-François spontan, wohl nur in Paris zu sehen bekam. Sie war schlank, ziemlich groß und trug, der Mode der Zeit entsprechend, ein direkt unterhalb des Busens gegürtetes Kleid, welches in diesem Fall von einer Kordel zusammengehalten wurde, unter der es lose bis zu den Knöcheln herabfiel. Diese den römischen Tuniken nachempfundenen Kleidungsstücke boten den Vorteil, beginnendeSchwangerschaften zu verbergen, so daß die vaterländische Pflicht, dem Kaiser Soldaten zu schenken, bis zu einem gewissen Zeitpunkt kein allgemein sichtbares Hindernis für die Teilnahme am Amüsierbetrieb darstellte. Nacken, Hals und einen Teil der Arme, meist bis oberhalb des Ellenbogens, trug man während der warmen Jahreszeit gewöhnlich frei. Nun aber, da der Herbst sich einstellte, drapierten die Pariser Damen diese kälteempfindlichen Blößen mit bunten Tüchern oder Schals aus den verschiedensten Stoffen.
    Die schöne Dame mit dem Gletscherblick war also im Begriffe, sich modisch auf den Herbst einzustellen. Sie hatte soeben ihre Schulterpartie in ein bordeauxfarbenes Gewebe gehüllt und begutachtete das Ergebnis im Spiegel. Dann rief sie mit fröhlicher Stimme: »Monsieur Arnoud!« und blickte in die Richtung, in der das Männlein verschwunden war, um Hüte zu suchen. »Monsieur Arnoud, wo stecken Sie denn?« wiederholte sie. Als keine Antwort kam, drehte sie sich zu Jean-François um, der sie, schräg hinter ihr stehend, die ganze Zeit beobachtete, sah ihm direkt ins Gesicht und fragte wie beiläufig: »Was sagen Sie: Kleidet mich dieses Tuch?«
    Die Anrede kam so überraschend, daß der junge Mann sich mechanisch umschaute, ob jemand hinter ihm stünde. Da das nicht der Fall war, drehte er sich wieder zurück. Sie hatte sich wieder ihrem Spiegelbild zugewendet und zupfte mal hier, mal da an der wollenen Draperie. Hatte er sich verhört?
    »Nun sagen Sie schon! Steht es mir?«
    Er hatte sich nicht verhört.
    Wieso sprach diese Frau ihn einfach an? War das etwa so üblich in Paris? Ihm wurde heiß. Er fühlte sich wie damals, als er Fourier vor die Füße gefallen war und mit einem Satz versuchen mußte, sich ins rechte Licht zu setzen, um ihn stutzen zu machen, damit er nicht fortging. Also riß er sich zusammen, räusperte sich und sagte mit vor Tollkühnheit bebender Stimme: »Pardon, Madame, ich sah noch nie ein Tuch, gemessen an seiner Trägerin, eine so kümmerliche Rolle spielen.«
    Das war nicht übel, dachte er. Jedenfalls lächelte die so artig Komplimentierte, wobei die Grübchen auf ihren Wangen voll erblühten. Jean-François war überzeugt, noch nie eine so begehrenswerte Frau gesehen zu haben, und wünschte, der Moment möge ewig dauern. Aber das pflegen Momente nicht zu tun, und auch dieser wurde abrupt beendet durch Monsieur Arnoud, der mit einem Korb voller Damenhüte aus seinem Kontor trat.
    »Ah, Madame Deschampes, dieses Kaschmirtuch steht Ihnen aber wirklich bezaubernd«, sang das Männlein.
    Madame! Da hatte er es. Die lächelnde Elfe war verheiratet. Das bodenlose Blau ihrer Augen leuchtete einem anderen.
    Nachdem der Verkäufer wieder aufgetaucht war, würdigte die junge Dame Jean-François keines weiteren

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